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Der Nachtenjäger und die Windmüllerfrau

  J. Kurth, Sonntagsbl. d. Preuß. Lehrerzeit., 1882, S. 467 (Nr. 30)

„Vor etwa 90 Jahren ging die Windmüllerfrau von K. (Krohle?) nach H. (Helmsdorf? Haasel?), um dort in der Schmiede das Mühleisen zurechtmachen zu lassen. Da sie auf die Arbeit warten musste, so war der Abend schon längst hereingebrochen, als sie mit dem Mühleisen auf der Schulter den Rückweg antrat.

Kaum war sie in den zwischen den beiden Dörfern liegenden Wald gekommen, als ein entsetzliches Hundegebell hinter sich hören lies. Erschrocken wandte sie sich um und sah nun den Nachtenjäger, der auf einem Pferde ohne Kopf hinter ihr her geritten kam. Noch ehe sie sich von ihrem tödlichen Schrecken erholt hatte, war derselbe schon bei ihr und fragte „Wohin? Woher?“ Sie erzählte ihm hierauf, dass sie die Müllersfrau von K. sei und von H. komme, wo sie in der Schmiede gewesen wäre. Während dieser Zeit versuchte der Nachtenjäger mehrmals, sie niederzureiten; unwillkürlich trat die Frau dabei in das Wagengeleise1). Kaum bemerkte dies der Nachtenjäger, als er mit einem wilden Fluche in den Wald ritt, die kläffenden Hunde hinter ihm drein, so daß es aussah, als könne kein Baum stehen bleiben.

Die Frau aber kam halbtot nach Hause. Das Treten in das Geleise hatte sie gerettet; denn solange jemand darin geht, kann ihm der Nachtenjäger, überhaupt jeder Spuk, nichts anhaben.“

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894


1)
Anmerkung Sagenwiki: Gleis und Geleis (Plural: Gleise und Geleise) haben ihre Wortherkunft im 14. Jahrhundert im spätmittelhochdeutschen geleis, eine Radspur oder ein getretener Pfad. Es ist eine Kollektivbildung des mittelhochdeutschen leis bzw. leise für Spur. Dies geht wiederum auf das althochdeutsche leisa zurück, in Verbindung mit Wagen als waganleisa, also Wagenspur. Ursprünglich waren damit die von einachsigen Karren (u. a. Ochsenkarren) oder zweiachsigen Wagen (Pferdefuhrwerke) in den Boden eingedrückten, parallelen Spurrillen bezeichnet. Quelle: Wikipedia