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Die Kapelle der heiligen Hidda bei Niemitzsch

  Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann, 1862, Th. II Nr. 217

„Zu den Zeiten des Kaisers Otto I. waren zwei Brüder, Gero, ein Herzog und Markgraf, und Sifrid, ein Graf. Ihre Schwester hieß Hidda. Diese heiratete den Markgraf Christian, welcher mit ihr den Erzbischof Gero von Köln und den Markgraf Dithmar zeugte. Nach dem Tode ihres Ehegemahls beschloß sie Witwe zu bleiben, weihete sich Gott und pilgerte in ihrem frommen Eifer hin zu den Stätten, wo der Herr gelitten hatte, nach Jerusalem.

Und da sie sehr schön war, liebte sie der König von Jerusalem und begehrte sie zur Ehe. Sie aber weigerte sich dessen standhaft, und da der König nicht abließ, in sie zu dringen, so scheute sie sich nicht, ihr schönes Antlitz, weswegen sie so bedrängt wurde, selbst zu entstellen. Sie schnitt sich nämlich sonderbarer Weise, um ihren irdischen Verehrer durch Häßlichkeit abzuschrecken, die Nase ab, wohl wissend, daß bei ihrem himmlischen Geliebten sie dadurch an innerer Schöne nichts verlieren würde. In Jerusalem starb sie auch und wurde begraben.

Zu ihrem Gedächtnisse erbauten ihre Söhne eine Kapelle auf dem Hügel bei Niemitzsch, der wegen der dort ihr als einer Heiligen geweihten Verehrung noch heute der heilige Hügel heißt. Sie selbst hatte kurz vor ihrem Tode zu ihren Dienern gesagt: „Wenn ich gestorben bin, so übergebt meinen Leib schnell der Mutter Erde und geht dann bald und verkündet solches meinem Sohne Gero, daß seiner in der Fremde vollendeten Mutter die Ehre, welche vorher im Himmel zu verleihen Gott sie gewürdigt hat, er auf Erden nicht versage und mir in der Kirche der heiligen Cäcilie einen Altar errichte.„

Der Hügel, auf dem die Kapelle gestanden hat, war vordem ein heidnischer Opferplatz. Man fand daselbst zwei glatte Steine von runder Form, welche in der Mitte eine Öffnung hatten, so daß man annahm, sie hätten als Opfertische gedient.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894