<< Der Heilige Hain bei Guben | Niederlausitzer Volkssagen | Der Nonnenkopf im Gubener Rathause >>

Von dem uralten Christentum der Gubener

  Sausse, Gub. Wochenbl., 1862, Nr. 61; 
  Haupt, Sagenb. d. Laus., N. 2. Mag., 1863, S. 356; 
  Grässe, Sagenb. d. preuß. Staats, 1867, S. 390

„Die Bürger von Guben waren sehr gottesfürchtige Leute und liebten es, die Frömmigkeit ihrer Vorfahren, selbst die der heidnischen Semnonen, zu rühmen und zu preisen. Vorzüglich stolz aber waren sie darauf, daß sie schon zu den ersten Christen gehört haben. Denn als der Apostel Johannes in der Verbannung auf der Insel Patmos weilte, hatte er eine Erleuchtung von oben, ein himmlisches Gesicht. Er sah nämlich im fernen Norden das fromme Volk der Semnonen, welches nach der Erlösung aus den Finsternissen des Heidentums schmachtete. Deshalb bewog er seinen Schüler Polikarpus, zu den Semnonen zu wandeln und ihnen die christliche Heilslehre zu verkündigen.

Polikarpus erfüllte gehorsam den Auftrag seines Meisters, gelangte unter mancherlei wunderbaren Abenteuern in den heiligen Hain bei Guben und ward von den gottesfürchtigen und Lernbegierigen Semnonen freundlichst aufgenommen. Ein Jahr lang blieb er allhier, predigte Christum und taufte viele Heiden.

Noch zeigt man die Stelle am Ufer der Neiße, wo er die Semnonen taufte. Später wurde an derselben Stelle das Jungfrauenkloster erbaut.“

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894