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Gubens Stammmutter

  Mündlich. 
  In hübsche Reime gebracht in einem Gubener Wochenblatte.
  Haupt, Sagenb. d. Laus., 
  N. Laus. Magaz., Bd. 40, S. 356.

„Die Hussiten kamen mit großer Heeresmacht vor die Stadt Guben, und die Bürger wollten ihnen widerstehen; aber sie vermochten es nicht. Die wilden Böhmen erstiegen die Mauern, drangen in die Stadt und machten alles tot, Männer, Weiber und Kinder. Von Haus zu Haus wüteten sie in ihrer Mordlust, und es war nur noch eine einzige kleine Wohnung übrig. Darin saß eine Mutter vor einer Wiege und wiegte ihr Kind, und das war eine sehr fromme Mutter.

Da wollten sie auch über diese herfallen. Aber Gott verblendete ihre Augen, daß das Kind ihnen als ein Kalb mit feurigen Augen erschien. Und sie hielten das für den Teufel, und es kam sie eine große Furcht an, also daß sie aus dem Hause flohen und den andern sagten und schrieen: „Hier hat der Satan Junge gekriegt, und seine Großmutter sitzt dabei und wiegt sie,“ und alle zogen fort aus der Stadt, nachdem sie diese angezündet hatten.

Da kam noch ein fremder Handwerksbursche herzu, der dem Blutbade in einem Versteck entronnen war, der that sich zu dem Weibe, und sie zeugten Söhne und Töchter und bevölkerten wieder die öde Stadt. Also ward eine einzige Frau die Stammmutter von Guben.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894