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Die andächtigen Sänger

  Nach dem Wendischen

Es geschah aber, daß der Herr Christus und der heilige Petrus in der Welt umherwandelten. Und sie kamen in ein Dörflein, wo man in einem Hause so schön sang. Und der Herr Christus blieb stehen, um zuzuhören, der heilige Petrus ging aber immer weiter. Und als er ein Stückchen weiter gekommen war, sah er sich um und der Herr Christus stand noch dort. Der heilige Petrus ging aber immer weiter. Und als er ein Stückchen weiter gekommen war, sah er sich wieder um, und der Herr Christus stand noch immer da. Der heilige Petrus ging aber doch noch immer weiter. Und als er ein Stückchen weiter gekommen war, sah er sich noch einmal um, und siehe der Herr Christus stand noch da und hörte zu.

Da kehrte der heilige Petrus auch um und kam wieder zu dem Hause und dort sang man so schöne Volkslieder. Da sie nun eine Zeitlang zugehört hatten, gingen sie Beide weiter und kamen an ein anderes Haus, dort sang man auch. Und der heilige Petrus blieb stehen um zu horchen, der Herr Christus ging aber immer weiter.

Da ging der heilige Petrus auch weiter und wunderte sich gewaltig. Da sprach der Herr Christus: „ Was wunderst du dich so gewaltig?„ Und der heilige Petrus sprach: „Ich wundere mich darüber so gewaltig, daß du dort stehen bliebst, wo sie Volkslieder sangen, und hier vorbei gehst, wo sie geistliche Lieder singen.“ Da sprach der Herr Christus: „Mein lieber heiliger Petrus, dort sangen sie Volkslieder, aber mit aller möglichen Andacht; hier singen sie geistliche Lieder, aber ohne die geringste Andacht.“

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862