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Der Mann im Monde

  Nach dem Wendischen. 
  Haupt und Schmaler I. S. 275.

Der Fiedler David saß auf einem Steine am Wege und machte ein trauriges Gesicht. Da begegnete ihm der gute Pfarrer und fragte ihn: „O mein David, warum spielst du nicht und machst ein so trauriges Gesicht?„ „Ach!“ sagte David, „wie sollt ich nicht traurig sein, da ich gar Niemanden mehr auf dieser Erde habe? Vater und Mutter sind mir gestorben und brennen beide in der Hölle.“ Da erwiederte der gute Pfarrer: „O du mein lieber, lieber David, nimm doch dein Geiglein zur Hand, nimm dein Geiglein zur Hand und spiele drei Gesetzchen auf.“ Und David nahm sein Geiglein zur Hand und spielte drei Gesetzchen auf. Das erste Gesetzchen spielt er auf für den dreieinigen Gott, das zweite Gesetzchen für die allerreinste Jungfrau Maria und das dritte Gesetzchen für den werthen heiligen Geist.

Und wie er das so schön und wohlklingend gethan hatte, daß ihm selbst und dem guten Pfarrer das Herz im Leibe bewegt ward, da sagte derselbe: „Hör' auf, hör' auf, o du mein lieber, lieber David, du hast schon gewonnen und hast genug gespielt für dein ganzes Erdenleben.„ Und David's Eltern gingen aus der Hölle in den Himmel und der Fiedler ward in den Mond erhoben.

Dort steht er noch heutigen Tages mit seinem Geiglein und spielt den Engeln auf. Und wer das nicht glauben will, der sehe nur den Mond an, da wird er schon den David erblicken, wie er dasteht in seinen Hollunderhandschuhen, seinem Erlenjäckchen, seinen Haarweidenstrümpfen und seinen Birkenhofen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862