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Das Zwergbegräbniß

  Gräve S. 73. 
  Grässe S. 553.

Auf dem Dittersberge bei Schönau läßt sich alle fünf Jahre um 11 Uhr in der Nacht von Johannis Enthauptung eine Art Leichenzug sehen. Gleich nach dem Schlage der Mitternachtsstunde entsteigt dem dort befindlichen Querxloche eine Reihe in tiefste Trauer gehüllter Zwerge. Lange Flore entwallen ihren kleinen runden Hütchen; acht Mann, welche auf gedämpften Posaunen eine Klageweise blasen, schreiten voran; ihnen folgt ein langer Zug; ein vornehmer Zwerg geht voran, sechszehn andere tragen das Sargtuch, eben so viele gehen zur Seite.

In dem offenen Sarge liegt ein todter Zwerg mit Silberhaaren und Bart, eine Krone auf dem Haupte und einen Scepter in der rechten Hand. Der Sarg ist mit Gold und Edelsteinen reich geschmückt. Nach einem dreimaligen Umzuge wird der Sarg geschlossen und unter Weh klagen in die Erde versenkt. Ist dies geschehen, so reinigen sich die Zwerge in dem daselbst befindlichen Querxborne und ziehen wiederum in geordnetem Zuge und unter Trauermusik in das Querxloch zurück.

Anmerkungen: Es ist interessant zu beobachten, wie unsere Zwergsagen ein vollständiges Bild vom Leben des unterirdischen Volkes geben. Wir lernen sie kennen wie sie Familienfeste feiern, Hochzeit und Begräbniß halten, wie sie auf Abenteuer ausgehen zu den Hochzeiten der Menschen, wie sie mit Kegelschieben sich unterhalten, wie sie Bier brauen, Kuchen backen, Schmiedearbeit verrichten, wir erfahren von ihrem Könige, hören seinen Namen, aber freilich immer nur, wenn er stirbt, wie in der unten erzählten Sage auch das in der Bauernhütte wohnende Zwergpaar erst sichtbar wird im Augenblicke des Abschieds.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862