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Sterndeuterei der Bademütter

  Mündlich von Kossät Budach in Lahmo

Früher konnten die Bademütter das Schicksal der neugeborenen Kinder aus den Sternen lesen, und sie kamen oftmals, wenn sie sich den Himmel angesehen hatten, in die Stube und sagten, wenn das Kind nur eine Viertelstunde später geboren werden könnte, dann wäre es ein Glück, andernfalls würde es wohl keines natürlichen Todes sterben; denn das Schicksal des Kindes stände nach dem Wasser.

Was sie sagten, das ging auch wirklich in Erfüllung. Einmal hatte die Bademutter einem Knaben nach der Stunde seiner Geburt prophezeit, daß er seinen Tod im Wasser finden würde. Da ließen die Eltern den Jungen schwimmen lernen, und er schwamm wie ein Fisch, auf der Brust, auf dem Rücken, auf allen Seiten; aber er ertrank doch. Als er größer geworden war, fiel nämlich auf der Oder ein Kind aus dem Kahn ins Wasser. Er sah es, schwamm hin und wollte es retten. Da er das Mädchen schon beinahe erreicht hatte, ging er auf einmal selber in den Grund; es weiß heute noch niemand, wie es gekommen ist.

Ein andermal hatte die Bademutter bei der Geburt eines Mädchens auch gesagt, das Kind sollten sie vor dem Wasser hüten, so sehr sie nur könnten. Das thaten sie auch, und das Mädchen wurde groß, war bildschön und verheiratete sich an einen reichen Tuchfabrikanten in Forst. Was geschah aber? Sie bekam als junge Frau die Pocken, und als sie wieder gesund geworden war, hatte sie schrecklich viel Pockennarben im Gesicht. Das zog sie sich zu Kopfe und sie wurde tiefsinnig und in diesem Zustande stürzte sie sich ins Wasser und nahm sich das Leben.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894