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Der große Wind in Weißenberg

  O. u. N. Lauf. Chronik S. 63.

Da hat sich einmal in Weißenberg ein großer Wind erhoben, der ist so heftig gewesen und hat so sehr geblasen, daß die Weißenberger denken, das ganze Nest wird, vom Berge runter geblasen werden in die Lubata. Und da laufen sie alle zum Bürgermeister und der soll Rath schaffen. Was sagte aber der Bürgermeister? Der Bürgermeister sagte, sie sollten sich alle vor die Stadt stellen auf die Seite, wo der Wind herkommt, und blasen. Und bliese der Wind von dorther, so müßten sie von hier dagegen blasen und tapfer blasen, so würde der Wind ihnen nichts thun können; also ziehen sie alle raus, Männer, Weiber und Kinder und blasen gegen den Wind aus Leibeskräften, und wenn der Wind daher bläst, blasen sie von dort her, und je mehr der bläst, desto mehr blasen sie wieder. Der Herr Pastor aber war alt und krank, der wollte nicht mitblasen. Also endlich hörte der Wind auf und die Noth war alle. Es war aber doch sehr hart hergegangen und sie sahen alle kirschbraun im Gesichte aus. Und der Wind hatte Niemandem Schaden gethan, als nur dem Herrn Pastor, dem waren ein paar Schoben vom Dache abgerissen. Da wurden alle Gesichter klüger und Alle wiesen mit Fingern auf die Pfarre und sprachen Alle: Seht ihr's? wer nicht hören will, muß fühlen. Aber die Noth war damit doch noch nicht alle, denn die Ehemänner hatten des guten Beispiels wegen alle so geblasen, und sich angestrengt, daß sie ihren Pflichten nicht Genüge leisten konnten.

Und so liefen alle Weiber zum Bürgermeister und klagten es ihm und schalten ihn, und war ein großer Jammer in der ganzen Stadt. Der Bürgermeister aber war ein kluger Mann und sagte, jetzt könne es nichts mehr helfen; aber weil sie doch oben auf dem Berge lägen und so ein Wind leicht wieder kommen könnte, so sollte in jedem Hause ein Blasebalg gehalten werden, daß sich ein andermal die Männer nicht mehr so anstrengen dürften. Und also geschah es und so ist es noch bis auf den heutigen Tag in Weißenberg: wie anderwärts ein Feuereimer, ist dort in jedem Hause ein Blasebalg.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862