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Der dreibeinige Hase in Steinsdorf

  Mündlich

In Steinsdorf trieb vor vielen Jahren ein rätselhafter Hase sein Wesen. Derselbe kam oft ins Dorf; die Hütejungen jagten sich mit ihm herum; die bissigsten Hunde verfolgten ihn nicht, sondern fingen an zu winseln und verkrochen sich. Einmal lief er in einen Viehstall. Eine Frau wollte schnell die Thür zumachen. Da sprang ihr der Hase über die Schulter und war davon.

Angeblich derselbe Hase sprang einst vor einem Mäher auf. Er lief auf drei Beinen, als ob er lahm oder angeschossen wäre. Als ihn der Mann aber greifen wollte, war er davon wie das Wetter. In einer Nacht, da der Mond schien, ging derselbe Mann seine Pflaumen bewachen. Im Diebesgrunde saß ein Hase am Wege und lief nicht fort. Der Mann ging ruhig vorbei; aber der Hund, welchen er bei sich hatte, kroch ihm winselnd unter die Beine. Schließlich lief der Hund quer in das Feld hinein und kam erst nach einer Viertelstunde wieder, immer noch ängstlich und zitternd.

Der alte W. hatte einmal auf den Hasen geschossen; da war dieser plötzlich vor seinen Augen verschwunden. Der Schütze hatte davon einen solchen Schreck bekommen, daß er schwer krank wurde.

Schäfer N. sah den Hasen auf dem Kirchhofe sitzen und schoß ebenfalls nach ihm. Trotz des Schusses rührte sich der Hase nicht (n. a. sah ihn „purzeln“, fand ihn aber nicht). N. sagte nachher: „Auf den schieße ich in meinem Leben nicht mehr.“

Der Hase hatte sich gefunden, seitdem der alte Pf. gestorben war, welcher in dem Rufe stand, mit dem Bösen im Bunde gelebt zu haben.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894