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Der Geist des Selbstmörders

  Mündlich aus Guben

In der früher Grasnickschen Ziegelei zu Guben, gegenüber dem Galgenfleck an der Crossener Straße, spukte es in der Arbeiterstube. Der Besitzer St. kam einmal in diese hinein. Die Arbeiter spielten gerade Karten. Da hörte er ein Schnarchen in der Nebenstube. „Wer schnarcht denn da?“ fragte er. „Ach Meister, lassen Sie nur sein, es schnarcht niemand,“ erhielt er zur Antwort. Er nahm sich ein Licht und ging nachsehen; da war es hinter dem Ofen. Die Arbeiter sagten: „Meister, das sind wir schon gewohnt, das thut uns nichts.“

In der Nacht war manchmal ein Wirtschaften auf dem Boden, als wenn das ganze Haus einfallen sollte; die Dachsteinbrettchen flogen und klapperten, als ob sie herunterfielen, und die Gerüste Knasterten, als ob alles zusammenbrechen würde. Von den Arbeitern war nämlich einer verschwunden; keiner wußte, wo er geblieben. Als sie eines Tages am Frühstückstische saßen, hörten sie einen dumpfen Fall über sich auf dem Boden. Da sagten sie: „Das ist Schulze!“ Der Brenner ging nachsehen. Da war er vom Stricke auf den Boden gefallen, weil der Strick abgefault war. Es schnarchte aber bloß in der Adventszeit.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894