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Der geizige Müller

  Mündlich aus Guben

In der Sprucke war einmal ein sehr geiziger Müller, der sehr viel Land hatte. Wenn sich aber jemand auf seinem Acker ein bißchen Gras schnitt, zeigte er es sogleich an. Der Müller hatte einen kleinen gelben Hund, den hatte er stets bei sich, in der Mühle und überall. Er ist auch mit dem Hunde an ein und demselben Tage gestorben. Die Frau des Müllers verkaufte aber das ganze Land, als der Mann noch gar nicht beerdigt war.

Wenn man nachher in der Dämmerung auf dem Acker war, der ihm früher gehört hat, kam er nach seinem Tode mit dem Hunde anspaziert. Als meine Mutter eines Abends Gras schnitt, kam er über das „schwarze Fließ“, grade über das Wasser herüber. Dann hörte meine Mutter rufen: „Hier wird nicht Gras geschnitten!“ Darauf ist er wieder fortgegangen. Das war aber gerade in der Pflaumenzeit, und der Müller hatte bei Lebzeiten so gern Pflaumen gegessen. Oft stand er mitten in der Nacht auf, ging an die Bäume im Garten und schüttelte sie. Auch im Garten ging der Müller nach seinem Tode um. Meine Mutter hat sich einmal sehr vor ihm erschrocken, als sie aus der Mühle kam.

Der alte Müller geht noch heute um. Er kommt mit seinem Hunde aus der Mühle heraus und geht über das „schwarze Fließ“ auf sein Land; weil das sein liebstes Land war, welches er immer mit den Ochsen allein pflügte.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894