Der schwarze Hügel

Im siebenten Jahrhundert kam der hl. Remaclus, der Apostel der Ardennen, auf seinen Bekehrungsreisen auch in das Tal der Warche. Am Ufer des rauschenden Flüsschens gefiel es ihm so gut, dass er hier 648 ein Kloster bauen ließ. Die Söhne des hl. Benediktus bezogen das neue Heim und begannen das Bekehrungswerk. Sie predigten dem Volke den Glauben des einen Gottes und erzählten das Erlösungswerk Christi. Das Volk lauschte der frohen Botschaft, sagte sich vom Banne des Heidentums los und bekannte sich zum Christusglauben.

Mit Wut und Schrecken hörte der Teufel von dem Werk der Benediktiner. Er hasste die Priester, die ihm all die Seelen entrissen und schwor ihnen Tod und Verderben. Endlich hatte er einen höllischen Plan ausgedacht. Er suchte am Rhein den schwersten Stein, den er tragen konnte; den nahm er auf die Schulter und wanderte, nicht allzu sehr des Weges kundig, auf Malmedy zu. Dort wollte er den Stein auf das Kloster schleudern und die Benediktiner zerschmettern, und so das Christenwerk vernichten. Die Mönche ahnten das Unheil. Ein besonderes Sausen und Rauschen in der Luft zeigte die drohende Gefahr an. Der Abt und alle Ordensleute lebten in Angst und Bangen. Sie beteten und flehten um Gottes Schutz. Auch wurde beraten, was man gegen des Teufels Tücke tun soll. Aber keiner wusste etwas Rechtes anzugeben.

Da fragte ein junger Mönch den Abt, ob er etwas gegen den Teufel unternehmen dürfe. Der Abt sagte zu. Da sammelte der junge Priester in aller Hast alle alten und abgetragenen Schuhe im Kloster und steckte sie in einen Sack. Nun ging er mit dem Sack auf dem Rücken zur Stadt hinaus. Kaum war er ein Stündchen gegangen, da kam ihm schon der Höllenfürst fluchend und keuchend und wankend mit dem Stein entgegen.

„He!“ rief der Teufel, „kennst du vielleicht Malmedy?“ – „O ja“, antwortete der Mönch. „Dann sage mir rasch“, schrie der Teufel, „wo der Ort liegt und wie lange ich noch bis dahin gehen muss.“ Da erwiderte der Benediktiner: „Malmedy liegt gegen Sonnenuntergang, noch schrecklich weit. Ich komme selbst von dort. Sieh, alle Schuhe, die ich unterwegs abgetragen habe, trage ich hier im Sack mit.“ – „Was“, brüllte der Teufel, „noch so weit! Bis dahin kann ich meinen Stein nicht tragen. Mit meiner Kraft ist es aus.“ Damit warf er voller Zorn den Stein so heftig zu Boden, dass der Stein in drei Stücke zersprang. Davon flog ein Teil auf Esperance zu, ein Teil hinter Robertville und das letzte Stück bis nach Kalterherberg bei Montjoie. Die drei Steine liegen noch heute an den genannten Orten und werden Noirthier, auf deutsch schwarzer Hügel, genannt. Sie haben alle das gleiche Aussehen und die gleichen Bruchstellen.

Quelle: Heinrich Hoffmann, Zur Volkskunde des Jülicher Landes, Sagen aus dem Rurgebiet, 1911, Nr.1; von Reinhild von Capitaine neu veröffentlicht