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Der Todtenstein bei Königshain

  Beschreibung von Königshain Mskr. Preusker. I. S. 154. 
  O. u. N.-L. Chronik. S. 83.

Wenige Gegenden in Deutschland sind so reich an Denkmälern heidnischen Götterdienstes, wie das Königshainer Wald- und Stein-Gebirge. Eine der dort befindlichen Opferstätten heißt der Todtenstein. Er besteht aus zwei an einander stoßenden Felsen von viereckiger Gestalt, von allen Seiten frei stehend, etwa 20–30 Ellen hoch mit senkrechten Wänden. Durch eine Kluft zwischen beiden Felsen, an mancher Stelle kaum eine Elle breit, gelangt man auf die obere Platte, die gegen 80 Schritte Umfang hat und etwa 2 Fuß hoch mit Erde bedeckt ist. Darin hat man Opfergefäße und Scherben davon gefunden. In den Felsen eingearbeitet ist eine eirunde, mannslange blattförmige Vertiefung, darin das Opferfeuer brannte, und auf dem Nebenfels eine andere sitzförmige, genannt der Teufelssitz.

An der Südostseite ist ein Felsabsatz 10 Fuß tiefer; von diesem aus kann man kriechend durch eine niedrige und enge Schlucht quer durch den Felsen an einen andern, sonst ganz unzugänglichen Absatz gelangen, die Todtenkammer genannt. Dort hat man Urnen und bronzene Geräthe gefunden. Ein Ueberbleibsel des alten Götzendienstes ist ohne Zweifel der feierliche Fackelzug nach dem Steine, vom Volke das Todaustreiben genannt.

Anmerkungen:

Der Todtenstein war gewiß der heiligste und furchtbarste Ort der ganzen Gegend, wahrscheinlich wohnten auch Priester oben. Der versteckte, leicht zu verschließende Aufgang war bequem zum Geheimniß; aus dem geheimen Gange mochten dunkle Sprüche der Weissagung erschallen; auch mochten dort leicht die Schätze der Priester geborgen werden können.

Die übrigen Opfersteine bei Königshain heißen der Hochstein, der Fürstenstein, der Teufelsstein, auch giebt es dort einen Wachberg, Kämpfenberg, Gickelsberg, Schornstein von czorny, schwarz, vielleicht in Beziehung auf Tschernebog, und viele weiter unten mit zutheilende Sagen.

Der Name Todtenstein in Verbindung mit dem Frühlingsfeste, genannt das Todaustreiben, giebt keinen Anhaltspunkt für den Kultus eines bestimmten Gottes. Der Name Todtenkammer kann eine dunkle Reminiscenz an die blutigen Opfer der Heiden sein. Will man eine bestimmte Gottheit denken, so könnte es eben so gut der deutsche Odin Uller, als die slavische Morzana oder der Flins sein.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862