Der verdröggte Hau

  Mündlich von vielen

In Merode und anderen Ortschaften nennt man einen Waldteil von etwa achtzig Morgen Größe, am Forsthaus Schlich gelegen, „verdröggte Hau.“ Der Wald erhielt seinen Namen von der früheren Besitzerin, die allgemein „Dröggche“ (Gertrud) hieß. Sie lebte auf dem Hofe zu Geich, zu dem auch der genannte Wald gehörte, nach dem Tode ihre Eltern allein mit ihrem Gesinde.

Von ihr wird erzählt, sie habe sich durch besondere Anlagen ausgezeichnet. „Sie konnte mehr als andere“. Das war Grund genug, um sie zu damaliger Zeit als Hexe zu verschreien. Alle Krankheiten der Kinder, mit denen Sie nur in Berührung gekommen war, wurden ihr zur Last gelegt. Ebenso sollte sie das Vieh verhexen, so daß es entweder gar keine oder rote Milch gab. Wollte eine Kuh nicht mehr fressen, oder ging sie durch irgend eine Ursache zurück, so war „Dröggchen“ Schuld daran.

Deshalb warf man sie in den Hexenturm, in dem sie sieben Jahre schmachten mußte. Doch weiterhin hatte man keine Gewalt über sie. Man glaubte deshalb, sie stehe mit dem Teufel im Bunde, und um ihr diese Macht zu entziehen, ließ man ihr das Haupthaar abschneiden. Darauf erschien ihr in der Nacht der Teufel und sagte zu ihr: „So lange du noch ein Haar am Leibe hast, können sie nichts über dich ausrichten.“ Diese Worte hatte der Wächter, der zu ihr wollte, gehört und teilte es den Richtern mit. Da schor man sie ganz kahl, und nun sollte sie auf dem „Schöbbich“ in Echtz verbrannt werden.

Als man sie zur Richtstätte fuhr, sagten die Gerichtsherren, die ihre Kunst erproben wollten, zu ihr: „Zeige uns doch einmal, ob du richtig hexen kannst.“ Da hob sie von der Erde eine Hand voll „Möllem“ (Staub) auf, warf ihn auf den Kutscher, und sogleich war dieser über und über mit Läusen bedeckt. Erstaunt urteilten die Herren: „Jetzt sehen wir, daß du etwas kannst, aber mache nun den armen Kutscher frei von den Läusen.“ Da blies die Hexe über den Kutscher, und die schmutzigen Tiere waren verschwunden.

Bei der Verbrennung der Hexe soll ein derartiger Gestank entstanden sein, daß die Zuschauer davon erkrankten. Der Graf von Merode nahm den Hof und den Dröggchens Wald an sich und vereinigte sie mit dem Seinigen.

Nach einer anderen Darstellung soll die Hexe ihre Kunst kurz vor der Verbrennung, als sie auf dem Scheiterhaufen vor den Richtern stand, folgendermaßen gezeigt haben: Die Richter sprachen zu ihr: „Dröggche, du weißt, daß du verbrannt wirst. Damit wir ein Zeichen haben, daß du nicht unschuldig stirbst, so zeige uns, was du kannst.“ Da erbat sie sich eine Kappe voll „Möllem“. Diesen warf sie über die Gerichtsherren, und sie waren ganz mit Läusen bedeckt. Die Richter baten sie, sie möge diese lästigen Tiere doch sofort entfernen. Die Hexe blies über die Herren, und alle waren von der Plage befreit.

Man sagt auch, der „verdröggte Hau“ soll deshalb diesen Namen erhalten haben, weil man das Holz zur Verbrennung aus diesem Hau genommen habe. Der „Dröggchens Hau“ war sehr verrufen. Man behauptete im Volke, eine Kuh, welche von dem Grafen in dem Walde fresse, ginge ein. Auch wollen einige wissen, dort habe sich im Walde die Hexenzunft in gewissen Nächten versammelt, um sich bei Spiel und Tanz zu vergnügen.

Quelle: Heinrich Hoffmann, Zur Volkskunde des Jülicher Landes, Sagen aus dem Indegebiet, 1914; Seehexen