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Die Wasserjungfer im See zu Zschiegern

  Mündlich von Schäffter u. a. in Schiegern.

Im See zu Zschiegern, der jetzt fast nur noch einen großen Sumpf bildet, wohnt eine Wassernixe oder Seejungfer. Alle Jahre wird dort ein Mensch in die Tiefe gezogen. Dreimal kann jemand in den Sumpf hineingeraten, ohne umzukommen, aber das vierte Mal geht er bestimmt unter.

Einst ist eine Frau, die vom See Gras holen wollte, samt dem Korbe, den sie auf dem Rücken hatte, versunken.

Nachts um 12 Uhr haben schon viele Leute die Seejungfer als weiße Gestalt zu Gesicht bekommen; aber nur solche Personen sehen sie, die am Sonntag geboren sind.

Ein alter Mann, der mit einem andern Einwohner von Zschiegern den See gepachtet hatte, baute sich, um ihn befischen zu können, einen Kahn. Es kam oft genug vor, daß beide die Nacht auf dem See zubrachten und sich in den Kahn schlafen legten. Als sie dies einmal wieder gethan hatten, fing ihr Fahrzeug plötzlich an zu schwanken, und da sie die Augen öffneten, stand eine Frauengestalt im Kahne und schaukelte ihn. Sie sprangen nun auf und liefen davon.

Die Seejungfer ging einmal (oft) zu den Christen nach Canig(in die umliegenden Dörfer) zu Tanze. Sie war ganz naß. Um 12 Uhr nachts verschwand sie. Ihr Vater hatte sie aber nicht wollen gehen lassen, und als sie nach Hause kam, (u. a. holte sie der Bruder bezw. eine andere Nixe und schlug sie) schimpfte er sie aus und sagte: „Hier riecht's nach Christen! Hier riecht's nach Christen!“

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894