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Der Vensstein bei Neudörfel

  Preusker. I. 39. O. u. N.-L. Chronik. S. 85.

Oberhalb Weigsdorf an der Wittiche gewahrt man eine Menge wild durcheinander geworfener Steinblöcke. Ein mächtiger fünfeckiger, würfelförmiger Granitblock bedeckt mehre andere, wodurch eine Höhle gebildet wird. Vor 50 Jahren war noch Alles wohlerhalten. Damals war der obere lock 20 Ellen hoch. Die Höhle ging 17 Ellen weit in den Felsen, war 2 Ellen hoch und anderthalb Ellen breit. Durch das Sprengen der Felsen ist sie jetzt meist verschüttet und schwer zugänglich. Beim Baumroden fand man in der Nähe in ziemlicher Tiefe verschlackte Steine (vom Opferfeuer) und alte sehr verrostete Stäbe. Diese Höhle heißt im Munde des Volkes die Venshöhle.

Achtzig Schritte von der Höhle auf einer Wiese an der Wittiche steht das Venshaus, dessen jedesmaliger Besitzer nachweislich seit länger als 300 Jahren der Vensmann geheißen hat. Dies war das Haus des Priesters.

Auch von einem Wundermanne weiß die Sage, der vor vielen hundert Jahren als Einsiedler in der Venshöhle gelebt habe und zu dem die Menschen viele Meilen weit gekommen seien, um seinen Rath zu holen und sich von ihm wahrsagen zu lassen. Außerdem treiben auch noch jetzt zwergartige Geister ihr Wesen dort, die Vensmännel. (S. d. Zwergsagen.)

Anmerkungen:

1. Auch der Vensberg oder Vensmännelberg bei Ostritz steht mit Zwergsagen in Verbindung (siehe No. 35. Anmerkungen).

2. Der eigenthümliche Namen findet sich vor in dem kleinen Distrikt an der böhmischen Grenze in der Nähe von Ostritz und dem Kloster Marienthal. Wenn der Name von Venus herrührt, so könnte man bei Ostritz an die Ostara (über Ostara vergleiche Grimm S. 180), die germanische Lenz- und Liebesgöttin, denken, die als Frau venus in den Berg wanderte, als die christliche Maria ihr Erbe übernahm. Auch die aus der Tannhäusersage bekannte Frau Venus im Hörselberge hat einen Hofstaat von Zwergen, die wohl ursprünglich die Priesterschaar der Göttin gewesen sind. Von den Vensmänneln wird weiter unten ein Zug der Weissagungen mitgetheilt.

3. Indessen dürfte sich auch die Schreibart Feenstein, Feensmännel, dadurch einigermaßen rechtfertigen lassen, daß die Druiden der Kelten, die hier am welschen Kamm, bei Neudörfel wie bei dem Druidensteine, gehaust haben mögen, sich überall im Mittelalter in Feen verwandelten. Die Bretagner nennen ihre druidischen Opfersteine: Feenkammern, Feenschlösser, Feengrotten u.s.w. Es wären dann diese beiden Steine vereinzelte Ueberbleibsel des keltischen Kultus. Das die Druiden bei uns nicht zu weiblichen Feen, sondern zu männlichen Zwergen wurden, liegt in der deutschen Natur.

4. Aber die romantische Feensage, die so bald der galanten Ritterdichtung anheim fiel und in der sich keltische und mit den Kreuzzügen herüber gebrachte orientalische Traditionen verschmolzen, ist der deutschen Sage völlig fremd, und da selbst der Name Fée, italienisch fata, lateinisch fatua, gewöhnlich abgeleitet von fari (weis-) sagen, romanischen Ursprungs zu sein scheint, so wäre das Räthsel, wie der Name Fee nach der Oberlausitz versprengt sein könnte, schier unlösbar, wenn nicht

5. die Vermuthung nahe läge, daß das Wort auf eine gemeinschaftliche, auch keltische Wurzel zurück geführt und schließlich vielleicht noch gar Fee und Venus als nahe Verwandte dargestellt werden können.

6. Wenigstens bestätigt Tolland im 10. Abschnitte seiner Geschichte der Druden, die weißen Frauen der alten Deutschen hätten Faid, Veit geheißen, was noch in Island eine Prophetin bedeutet und ein altkeltisches Wort ist (Reinitzsch, Ueber Truthen 1808. S. 107.). Ein, Venusberg im Erzgebirge wird auch Fengsberg geschrieben. Die Silbe Ven wird übrigens auch einfach dem Namen jenes Hausbesitzers vorgesetzt, z. B. Vens Schäfer.

7. Ostritz, das wir oben auf Ostara deuteten, wird auch slavisch erklärt, wie denn die Endung entschieden slavisch ist. Daß dem Ursprung von Ostrow = Flußinsel die lokale Beschaffenheit nicht geradezu widerspricht, hat Preusker (I. 44.) nachgewiesen. Auffallend bleibt es aber, daß die beiden oberlausitzischen Klöster Marienthal und Marienstern, das eine bei Ostritz, das andere bei Ostro, erbaut worden sind. Ueber die Feensmännel vergleiche die Zwergsagen. Preusker (l. 39.) fügt noch die Vermuthung hinzu, daß der Berg vielleicht ursprünglich Woensberg = Wodansberg (vergl. Grimm's Mythologie 102.) geheißen habe.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862