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Die beiden Nixe in Worms' Lache zu Guben

I

  Veckenstedt, Wd. Sg. 203; dort mitgeteilt von Professor Dr. Jentsch

„In Guben ist bei der Dreikreuzgasse die sogenannte Wormslache, welche früher sehr groß und sehr tief gewesen ist. In dieser Lache haben früher viel Unglücksfälle stattgefunden; das ist daher gekommen, daß zwei Nixe darin gehaust haben. Diese Nixe waren Brüder.

Da geschah es einmal, daß sie in einen Streit gerieten, welcher damit endigte, daß der eine der beiden Brüder sich entschloß, ganz und gar seine Wohnung im Wasser zu verlassen. Er kam auf die Oberwelt und verdingte sich bei einem Eigentümer als Knecht. Unter seinen Händen gedieh alles vortrefflich; mit ihm war der Segen in das Haus seines Herrn eingezogen, und obgleich er ein Nix war, merkte man dem Knecht nichts an, außer daß sein Rock stets einen nassen Saum hatte.

Nach einigen Jahren ergriff jedoch den Nix die Sehnsucht nach dem Bruder in der Tiefe; er wollte wieder zu ihm und sich mit ihm aussöhnen. Als dieser Entschluß bei ihm fest war, äußerte er seinem Herrn diese Absicht; er forderte ihn auf, mit noch mehreren seiner Hausbewohner an den Rand der wenige Schritte entfernten Lache zu kommen.

Das geschah. Da nahm der Nix von allen Anwesenden Abschied und sagte: „Ich gehe jetzt zu meinem Bruder, um mich mit ihm zu versöhnen. Kommt die Versöhnung zu Stande, so werden weiße Blasen an die Oberfläche des Wassers steigen; ist es aber nicht der Fall, so werdet ihr rote Blasen erblicken.“

Darauf stieg der Nix vor den Augen der Anwesenden in die Tiefe nieder. Nach einiger Zeit erblickte man einige rote Blasen auf der Lache, ein Zeichen, daß die Versöhnung nicht stattgefunden hatte. Von der Zeit an hat sich kein Unglücksfall mehr in der Lache zugetragen, wie das sonst jährlich geschehen ist.“

II

  Jentsch, Niederls. Mitteil., Bd. I, S. 146

„Im Süden Gubens, dicht an der Werdervorstadt, befand sich bis vor wenigen Jahren unweit der Dreikreuzgasse, gegenüber dem Hause Pförtenerstraße Nr. 23, ein sumpfiger Tümpel, der sich bei Hochwasser der Neiße füllte und der früher umfänglicher und tiefer gewesen sein muß: Worms' Lache.

In Worms' Lache lebten zwei Nixe, die alljährlich ihr Opfer an Menschen und Tieren forderten. Sie gerieten einmal – es soll um die Zeit des dreißigjährigen Krieges gewesen sein – mit einander so in Streit, daß der eine das Wasser verließ und auf die Oberwelt ging.

Eines Tages stellte sich in den Abendstunden beim Ackerbürger Naschke, dem damals das angrenzende Gehöft gehörte, ein junger Mann ein, dessen kurzer Rock einen nassen Saum hatte, und bat um einen Dienst. Es war der Nix aus der Lache. Der Ackerbürger nahm ihn als Knecht an, und er hatte es nicht zu bereuen; denn mit dem neuen Knecht zog der Segen bei ihm ein. Derselbe arbeitete unverdrossen von früh bis spät, und Saaten, Früchte und Vieh gediehen. Seitdem hatte auch das Wasser kein Opfer mehr gefordert.

Nachdem so eine geraume Zeit verstrichen war, offenbarte der Knecht seinem Dienstherrn, daß er der Bruder des Nixes sei, der in dem Wasserloche hause, und daß er, wenn seine Zeit um sei, in die Tiefe zurückkehren müsse. Es würde sich dann ein Kampf mit seinem Bruder entspinnen, und der, welcher von ihnen beiden siege, würde fortan allein Herrscher in der Lache sein. Wenn sein Bruder ihn bezwänge, so würden rote Blasen aufsteigen, und dann würde sich sein Bruder alljährlich wieder sein Opfer fordern. Wenn er aber siegte, dann würden weiße Blasen heraufkommen, und dann sollte nichts Lebendiges mehr hier seinen Tod finden. Man sollte ihm deshalb recht kräftige Rost und besonders Rindfleisch zu essen geben, damit er stärker würde als sein Bruder.

Wieder vergingen mehrere Jahre. Da trat der Nix eines Morgens vor seinen Dienstherrn und sagte: „Meine Zeit ist jetzt abgelaufen, und ich muß nun wieder hinab zu meinem Bruder. Wir werden dann sogleich miteinander kämpfen; deshalb gebt acht, was für Blasen heraufkommen werden.“ Darauf verschwand er im Wasser.

Ein Weilchen später sah man große weiße Blasen auf der Oberfläche, und daraus erkannte man, daß der Nix, welcher auf der Oberwelt gewesen war, seinen Bruder überwältigt hatte. Von einem Unglücksfalle hat man seitdem nie wieder gehört: es sind oft Menschen und Tiere dort ins Wasser gefallen, aber keins ist darin umgekommen.“

III

  Mündlich von mehreren Personen der Werdervorstadt

Dort, wo die Dreikreuzstraße in die Pförtenerstraße mündet, befand sich früher eine Lache, in welcher der Wassernix wohnte. Die Lache zog sich von der Pförtenerstraße, wo sie überbrückt war, etwa hundert Meter weit nach Westen in den Garten des Holzhändlers Schneider hinein. Sie war furchtbar tief, und es ertrank oft Vieh darin. An der östlichen Seite des Tümpels stand eine Scheune, die auf Pfählen erbaut war; unter ihr hatte der Nix seinen Aus- und Eingang.

Ein Nix vermietete sich einmal bei dem Ackerbürger Naschke (Schneider); seine Kleider waren stets unten naß. Wenn Naschkes Fische essen wollten, sagte er gleich: „Ich werde aus der Lache Fische holen!„

Als der Nix sieben Jahre gedient hatte, sprach er eines Tages zu seinem Wirt: „Meine Zeit ist jetzt um; ich gehe nun wieder in das Wasser zurück; kommt aber und seht zu, wenn ich in die Lache springen werde. Steigen dann rote Blasen im Wasser auf, dann hat mich mein Bruder überwältigt, kommen dagegen weiße Blasen vom Grunde an die Oberfläche, so habe ich ihn bezwungen, dann wird kein Vieh mehr in der Lache ertrinken.“

Als der Nix in das Wasser sprang, hat es darin gewirtschaftet, als ob es kocht. Es sind aber weiße Blasen emporgestiegen. Seit der Zeit hat weder Mensch noch Tier in der Lache seinen Tod gefunden.

Wie die Alten erzählten, wurden früher zwischen der Sommerfelder- und Pförtenerstraße die Schweine geweidet. Damals haben sich die Knaben oft auf die Schweine gesetzt und sind auf ihnen durch die Lache geschwommen, ohne daß jemals einer ertrunken wäre.

Ein Mann, der im Fieberwahn aus dem Fenster sprang und sich in der Lache ertränken wollte, ist doch nicht darin umgekommen, weil ihn das Wasser immer wieder in die Höhe brachte.

Nach einem andern Bericht hat der Nix in der Lache auch eine Frau gehabt und zu dieser einmal eine Hebamme geholt. Als diese wieder an die Oberwelt stieg, sagte der Nix zu ihr, sie solle sich den Kehricht, der an der Thür liege, als Belohnung mitnehmen. Sie raffte ihn auch in die Schürze. Sobald sie aber oben wieder allein war, warf sie ihn fort.

Zu Hause angelangt, fiel ein Goldstück klingend vor ihr zur Erde, und siehe da, es hafteten noch mehrere an ihrer Schürze. Schnell lief das Weib zurück an den Ort, wo sie den Kehricht weggeworfen hatte, fand dort aber nichts mehr.

Man erzählt auch, die Alten hätten die Frau des Nixes aus der Stadt kommen sehen, wo sie zur Kindtaufe eingekauft hatte. Als sie an die Lache kam, schlug sie mit einer Rute ins Wasser, und es war dann sofort eine Treppe da, an welcher sie in die Tiefe hinabstieg.

Endlich sollen auch Nixen aus der Lache in die Stadt zu Tanze gegangen sein. Einmal wurden sie aber von den Städtern verfolgt, seitdem kamen sie nicht mehr wieder.

Die Lache ist nun schon lange zugeschüttet; ein schmaler, mit Wasser gefüllter Graben zwischen den Grundstücken des Holzhändlers Schneider und des Ackerbürgers Beste bildet noch den letzten Ueberrest.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894