Ein Marktplatz von Gression

  Mündlich von vielen

Hier in der ganzen Gegend, so erzählt man sich in Echtz, Geich, Obergeich und anderen Orten, findet man an vielen Stellen auf den Feldern und im Boden Bruchstücke großer Dachpfannen, wie man sie heute nicht mehr kennt. Auch stößt man mit dem Pfluge oder Spaten auf alte Fundamentmauern und manchmal an Plätzen, wo man sie bis dahin nicht vermuten sollte, weil sich auf der Ackeroberfläche keine Baureste zeigen. Selbst in zwei Meter Tiefe traf man auf Grundmauern, und jedesmal hieß es: „Dat es wedde e Stöck van de Stadt Gression, die versonke es.“

Besonders viele Baureste alter Gebäulichkeiten trifft man an der 'Duffesmaar' bei Geich an. Es geht nämlich die Sage, in der 'Duffesmaar' habe der Marktplatz der Stadt Gression gelegen, der von vornehmen Bauten, darunter von einer Kirche (nach anderen von einem Kloster) umgeben war. Gression war eine große Stadt, die in Gressenich ihren Anfang nahm und sich von da sieben Stunden in die Länge und Breite ausdehnte. Die Bewohner waren Heiden, von einzelnen werden sie auch als Römer bezeichnet.

Eines Tages aber, man weiß nur nicht aus welcher Ursache, öffnete sich der Boden unter ihr und verschlang die Stadt samt allen Bewohnern. Sie versank in die Tiefe, und die Erde verschloß sich über ihr. Die meisten Gebäude, so glaubt man, seien bei dem plötzlichen Untergange in Trümmer gegangen, wie dies noch heute die Reste zeigen; andere Bauten sollen noch wohlerhalten im Boden ruhen.

So wurde mir in Gressenich von einer Greisin, die aus Merken stammte, darüber folgendes berichtet: „Eines Tages pflügte ein Landmann aus Merken an der 'Duvvesmaar' seinen Acker. Plötzlich stieß er auf einen harten Gegenstand im Boden, so daß der Pflug davon zerriß, und es fing an zu läuten. Neugierig grub er nach und sah verwundert, daß er an die Spitze eines Kapellenturmes (so nannte ihn die Greisin, während man in Geich und Umgegend allgemein von einer Kirche spricht) gestoßen und dadurch das Glöcklein zum Läuten gebracht hatte.

Sofort warf er Erde in das Loch; denn es soll nicht gut sein, in die Geheimnisse einer versunkenen Stadt einzudringen.“ - Das Leben in der Stadt Gression soll noch nicht ganz erstorben sein. In der Weihnachtsnacht (nach anderen in der Matthiasnacht) wird es da drunten wieder lebendig, und Schlag 12 Uhr fangen die Glocken der versunkenen Kirchen an zu läuten. Wer dann lauschend sein Ohr an den Boden hält, kann die Töne vernehmen, die nur dumpf aus der Tiefe an die Oberfläche dringen. Auch will man an der 'Duvvesmaar' die schönste Musik in stiller Nacht gehört haben.

Einige behaupten, in gewissen Nächten versammelte sich früher dort der 'Hexereih', dessen Teilnehmer bei Spiel und Tanz allerlei Kurzweil trieben; andere glaubten, es sei unterirdische Musik, die aus der versunkenen Stadt herrühre. Ein junger Mann aus Geich, der in Luchem freite und darum oft spät nachts zurückkehrte, hörte manchmal die geheimnisvolle Musik, konnte aber niemals entdecken, wo die Musikanten waren. Dazu trieben Irrlichter und Feuermänner dort ihr Wesen, so daß man früher nur mit Grausen über den verrufenen Platz ging. Nach der Sage führte ein unterirdischer Gang von der 'Duvvesmaar' nach Geich, wo er in dem Keller des Hauses zum 'helligen Geestes' ausmündete.

Quelle: Heinrich Hoffmann , Zur Volkskunde des Jülicher Landes, Zweiter Teil: Sagen aus dem Indegebiet; www.stolberg-abc.de