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Der Nachtjäger holt sich einen Ochsen und einen Hund zur nächtlichen Jagd

  Mündlich aus Guben

Eine Waschfrau in Guben erzählte: „Meine Großmutter hütete als Mädchen in Neuwalde bei Naumburg a. B. täglich das Vieh. Abends in der Dunkelstunde kam alle Tage der Nachtjäger und holte sich einen Ochsen und ritt mit ihm auf die Jagd. Gewöhnlich suchte er sich den stärksten aus. Sie kam dann weinend nach Hause und sagte: „Mutter, der Nachtjäger hat mir wieder einen Ochsen geholt!“ Am andern Morgen war aber der Ochse immer wieder da.

Manchmal holte sich der Nachtjäger auch den großen Hund des Bauern, der mußte dann helfen treiben. Der Knecht war ärgerlich darüber. Eines Abends fing der Hund wieder an zu piepen. Da sagte der Knecht: „Ha, ha, der Nachtjäger lockt wohl schon wieder!“ Und zum Nachtjäger sagte er, wenn er alle Nächte wolle den Ochsen holen, dann möchte er wenigstens auch ein Stückchen Fleisch dafür bringen.

Am andern Morgen hing ein ganz Viertel Fleisch vor der Thür. Die Wirtin schimpfte aber auf den Knecht und sagte, sie wolle das Fleisch nicht haben, er solle es wegschaffen. Da ging der Knecht in die Heide Streuling harken, hing den Kopf und ging so „tichten“, wie er das Fleisch wieder los werden könnte. Auch bei der Arbeit stand er noch oft in Gedanken versunken.

Da kam ein kleines Mädchen zu ihm und fragte ihn, warum er so trübselig sei. Nun erzählte der Knecht, der Nachtjäger bringe alle Nächte Fleisch, er solle es fortschaffen und wisse nicht, wohin damit. Darauf sprach das Mädchen, wenn der Nachtjäger wiederkäme, dann solle er zu ihm sagen, wenn er alle Nächte wolle Fleisch bringen, so möchte er doch auch Salz dazu mitbringen. Das that der Knecht, und der Nachtjäger brachte nun kein Fleisch mehr; denn Salz konnte er nicht bringen.

Das Mädchen, das dem Knecht dies ausgeheißen hatte, war aber kein richtiges Mädchen; es muß ein Geist gewesen sein oder der Böse.“

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894