<<< vorheriges Märchen | IV. Der dumme Hans (Märchen) | nächstes Märchen >>>

Der dumme Hans wird König

  Schorbus 

Ein Bauer hatte zwei Sohne, von denen der eine, Hans, für dumm galt, der andere aber, Christian, für sehr klug. Als nun für den Bauer die Zeit genaht war, dass er daran dachte, seine Wirthschaft zu übergeben, liess er die beiden Söhne vor sich kommen, gab ihnen Geld und schickte sie in die Fremde. Er versprach demjenigen, welcher als der reichste wiederkommen werde, die Wirthschaft Die Söhne zogen ab, die Mutter aber sprach so vor sich hin: „Der dumme Hans wird doch nichts schaffen.„

Hans ging nun ganz auf das Gerathewohl zu. Er war selbst neugierig, was aus ihm werden mochte. Endlich gelang er an einen Berg; da machte er Halt, um auszuruhen. Plötzlich sah er eine Schlange vor sich, welche ihn bat, er möge doch mit ihr kommen. Hans wollte das nicht, so sonderbar ihm auch die Schlange vorkam. Diese aber bat aufs Neue und so lange, bis Hans ihr folgte. Darauf führte sie ihn in den Berg. Dort fand Hans einen königlichen Hofstaat, Diener, Marstall und alles andere, was zu einer königlichen Hofhaltung gehört. Die Schlange forderte ihn auf, er solle essen und trinken, so viel ihm beliebe, aber er möchte ein Jahr im Berge bleiben. Hans war damit zufrieden. Als das Jahr um war, ward die Schlange zu einer wunderschönen Prinzessin, der Berg zu einem Königreich, und Hans ward König.

Nach einiger Zeit fuhr er mit seiner Gemahlin in einer Königlichen Kutsche zu seinen Eltern. Dort hatte sich sein Bruder längst eingefunden; der war mit einer reichen Bauerntochter verheirathet und glaubte, er habe das grösste Glück gehabt Aber er staunte nicht wenig, als er sah, dass Hans König geworden war, und dass seine Gemahlin eine Königin sei. Auch die Eltern freuten sich sehr über das Glück ihres Hans. Der aber trat sein Erbe nicht an, sondern nahm von seinen Eltern und seinem Bruder bald wieder Abschied. Er fuhr mit seiner Gemahlin in sein Königreich zurück und hat dort noch lange Zeit mit ihr glücklich und zufrieden gelebt. Schorbus

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880