<<< vorheriges Märchen | IV. Der dumme Hans (Märchen) | nächstes Märchen >>>

Eine Ohrfeige als Lohn

  Branitz

Der dumme Hans war bei einem Edelmann in den Dienst getreten. Der Herr gab jedem Knecht täglich eine bestimmte Arbeit auf; derjenige von seinen Leuten, welcher zuletzt damit fertig wurde und am spätesten heimkehrte, erhielt von ihm Prügel. Die Knechte mochten den dummen Hans nicht leiden. Um ihm nun zu einer Tracht Prügel zu verhelfen, legten sie des Abends, als Hans schlafen gegangen war, seinen Wagen auseinander und schleppten die einzelnen Theile desselben überall hin. Sie meinten nun, da sie am nächsten Tage Holz fahren sollten, der dumme Hans werde so viel mit seinem Wagen zu thun haben, dass er spät in den Wald, und in Folge dessen zuletzt heim kommen werde. Für diesen Fall waren ihm die Prügel sicher.

Der dumme Hans stand des Morgens etwas spät auf, fütterte, suchte die einzelnen Wagentheile und setzte dann gemüthlich seinen Wagen zusammen. Darauf fuhr er ab. unterwegs grub er ein grosses, tiefes Loch, da er sich mit einem Spaten versehen hatte, verdeckte dasselbe sorgfältig mit Zacken und fuhr in die Haide. Die anderen Knechte hatten ihre Wagen beladen und kehrten heim, geriethen aber in das tiefe Loch, welches der dumme Hans gegraben hatte.

In der Haide machte sich Hans an die Arbeit, riss ganze Bäume mit den Wurzeln aus, belud seinen Wagen damit und kehrte dann glücklich heim, während die andern Knechte noch in ihrem Loche sassen. Der Herr sah den dummen Hans zuerst angefahren kommen. Das gefiel ihm, aber er war damit nicht zufrieden, dass Hans, als er mit seinem Wagen auf den Hof fuhr, die beiden Pfeiler des Thorwegs umwarf. Er wollte ihm deshalb kündigen, besann sich aber doch wieder eines Besseren und ging aufs Neue mit ihm einen Vertrag ein, wonach der dumme Hans ihm noch ein Jahr dienen sollte; als Lohn hatte sich Hans ausgemacht, dass er seinem Herrn nach Ablauf des Jahres eine Ohrfeige geben dürfe.

Als das Jahr um war, wollte Hans seinen Lohn haben und dann abziehen. Er suchte sich einen Wanderstab. Auf dem Hofe lag ein grosser Block, welcher zu Brettern verschnitten werden sollte. Den ergriff er und ging damit auf das Schloss zu. Der Herr stand am Fenster und sah den dummen Hans mit seinem Reisestock ankommen. Da fürchtete er sich denn doch vor der Ohrfeige, verschloss die Hausthür und versteckte sich« Hans aber schlug die Thüren des Schlosses ein und suchte den Herrn so lange, bis er ihn fand. Nun bat ihn der Herr, er möge statt der Ohrfeige einen andern Lohn fordern. Der dumme Hans verlangte, einen Tag Erbsen dreschen zu dürfen; die ausgedroschenen Erbsen sollten ihm gehören. Darauf ging der Herr ein. Hans nahm nun die Laken aus allen Betten des Schlosses, band sie zusammen, machte sich daraus einen gewaltigen Sack und ging dann an die Arbeit. Die Arbeit ging gut von Statten, denn mit seinem wuchtigen Wanderstab schlug er so gewaltig zu, dass er an einem Tage die ganzen Erbsen ausgedroschen hatte. Die that er nun in den Sack, belud sich damit, ergriff den Wanderstab und wollte abziehen. Der Herr aber, als er sah, dass seine ganzen Erbsen für ihn verloren waren, befahl, den Bullen los zu lassen, damit dieser mit seinen spitzen Hörnern ein Loch in das Laken stiesse. Hans aber, sobald er den Bullen gesehen, ergriff diesen an den Hinterbeinen, warf ihn zu den Erbsen auf die Schultern und sagte: „Zu den Erbsen gehört auch Rindfleisch.“ Darauf liess der Herr einen grossen Eber aus dem Stalle, damit dieser den Hans mit seinen Hauern zu Schaden bringe. Der dumme Hans aber sagte: „Es freut mich, dass ich nun auch Schweinefleisch zu meinen Erbsen habe,“ ergriff den Eber und ging damit gleichfalls ab. Jetzt liess der Herr die Thore schliessen. Da erfasste Haus die Thore, hob sie aus den Angeln, lud sie auch noch auf und sagte: „Es ist doch gut, dass ich Brennholz zu meiner Mahlzeit habe.“ Darauf zog er ab, und der Edelmann hatte das Nachsehen.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880