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Hans baut ein Luftschiff

  bei Vetschau R

Es war einmal ein Bauer, der hatte drei Söhne. Der jüngste von ihnen war der dümmste, hatte aber ein sehr gutes Herz. Einstens erliess der König des Landes den Befehl, man solle ihm ein Luftschiff bauen: derjenige, welcher das beste Luftschiff erbauen würde, solle eine grosse Belohnung erhalten und der erste Mann im Königreiche nach ihm werden. Als der alte Bauer das horte, sagte er zu seinen Söhnen: „Kinder, Ihr habt Zimmermann gelernt, seht zu, dass Ihr das Schiff fertig bekommt; gelingt es Euch, so werden wir reich belohnt werden und können uns einen Edelmannshof kaufen.“

Der älteste Sohn beschloss, sich alsobald an die Arbeit zu machen. Da er für das Luftschiff erst Holz fallen musste, so sah er voraus, dass die Arbeit einige Zeit dauern werde. Deshalb nahm er zu essen und zu trinken mit, als er sich in den Wald begab, um die Arbeit zu beginnen. Unterwegs begegnete ihm ein kleines, graues Weib, das fragte ihn, wohin er gehe. Der junge Bauer sagte: „Ich gehe in den Wald und will Holz fällen, um daraus ein Luftschiff zu bauen.“ Darauf begleitete ihn das kleine, graue Weib. Als beide an den Waldsaum gekommen waren, setzte sich der junge Bauer nieder und frühstückte. Das Weibchen sprach: „Gieb mir auch etwas,“ aber der junge Bauer antwortete: „Selber essen macht fett; mag ein jeder sehen, wo er bleibt.“ Da sprach das Weibchen: „Du kannst arbeiten, so lange Du willst, Du wirst doch nur einen Schweinestall fertig bringen.“ Nach diesen Worten war das Weibchen verschwunden. Der junge Bauer machte sich an die Arbeit, aber so viel er auch schaffte, am Abend hatte er weiter nichts zu Stande gebracht, als einen Schweinestall.

Den andern Tag ging der zweite Bruder denselben Weg nach dem Walde; auch zu ihm gesellte sich das Weibchen, setzte sich, als der junge Bauer frühstückte, zu ihm und sprach wie zu dem Ersten: „Na, Du wirst mir doch etwas von Deinem Frühstück geben?„ Er aber antwortete: „Erst komme ich, dann kommen die andern.“ Lachend sagte das Weibchen: „Dein Bruder hat den Stall gezimmert, und Du wirst den Trog dazu zimmern.“ Und richtig, der junge Bauer konnte so anfangen wie er wollte, als es Abend wurde, hatte er einen Trog gezimmert.

Am dritten Tage ging der dritte Sohn, der dumme Hans, in den Wald. Auch zu ihm kam das Weibchen und sprach: „Na Hans, wohin gehst Du denn schon so zeitig?“ „Mütterchen,“ sprach er, „ich will in den Wald gehen, Holz fallen und daraus ein Luftschiff bauen. Aber erst,“ sagte er, „will ich essen und dann arbeiten.“ Darauf setzte er sich nieder, zog Brod und allerhand andere Lebensmittel hervor und sprach dann freundlich: „Mütterchen, wenn Ihr mitessen wollt, so könnt Ihr es.“ Das Mütterchen setzte sich zu ihm hin, und beide frühstückten. Als sie gegessen hatten, sprach das Mütterchen zu ihm: „Hans, ehe die Sonne untergegangen ist, wird Dein Luftschiff fertig sein.„ Darauf verschwand das Weibchen.

Und wirklich, bevor noch die Sonne untergegangen war, hatte Hans sein Luftschiff fertig, setzte sich hinein und fuhr damit durch die Luft dahin, über dem Hause seiner Eltern hielt er still und schrie hinunter, als er seine Brüder erblickte: „Jetzt geht es zum Könige.“ Die Brüder aber sprachen: „Na, Gott sei Dank, jetzt hat es doch auch mal einem Dummen geglückt.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880