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Die schöne Prinzessin

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, zwei kluge und einen dummen, die stritten sich darum, wer von ihnen einmal das Königreich bekäme. Der Alte hatte darüber viel Lerger und Verdruß; denn keiner von den dreien wollte dem andern nachgeben, selbst der dumme war bisweilen der schlimmste. Einst sagte der alte König, der da merkte, daß er bald sterben müßte: Ihr alle drei sollt erst einmal in die Welt hinaus gehen und euch etwas versuchen. Bei der Gelegenheit sollt ihr mir aber etwas mitbringen, und wer mir das Beste bringt, der soll das Königreich nachher haben. Das erstemal sollt ihr mir einen Hund mitbringen. Sie machten sich also alle drei auf und fort gieng's; der zweite nahm den dummen bei der Hand und zog fort.

Eine ganze Ecke ging's gut, nachher dachte aber der zweite, was soll ich mich mit dem dummen Pinsel schleppen. Er ist mir doch nur im Wege und hinderlich. Ich thue am besten, ich laß ihn laufen, wohin er will, und ich geh' hin, wo ich will, und das that er auch. Er ließ also seinen dummen Bruder im Walde sizen und gieng fort. Als der Dumme aufwachte, war es finster, und er war allein im Walde, deswegen stieg er auf einen Baum und sah in der Ferne ein Licht. Er stieg von dem Baume herunter, gieng dem Lichte nach und nach einem Hause. Nun klopfte er an, es wurde auch aufgemacht, und er sah weiter nichts, als Hände, aber keine Leute. Er gieng in die Stube, da war alles hübsch, es standen schöne Tische und Stühle da, auch ein weiches, mit Seide überzogenes Sopha, und die Wände waren mit goldenen Tapeten beklebt, es hiengen die herrlichsten Spiegel und Bilder an der Wand. Man sah aber keinen Menschen. Der Dumme setzte sich in's Sopha, vor dem ein blanker Tisch, auf dem das Licht stand, ein Wachslicht. Kaum hatte er sich hingesetzt, so brachten die Hände die feinsten Speisen an. Ach, Braten, die einen jeden anleckerten, und Wein, das war eine Pracht, und festen das alles auf den Tisch. Auch Teller und Messer und Gabeln, zwei Paar.

Es war immer nichts weiter zu sehen, als die Hände, die das brachten. Der Dumme wartete nicht, bis er genöthigt wurde. Er schnitt sich ein tüchtiges Stück Braten ab und goß sich ein Glas Wein ein. Kaum hatte er aber das gethan, da schlug's elf und herein kam eine weiße Katze, setzte sich bei ihn und holte mit ihren Pfoten ein Stück Braten nach dem andern von dem Teller des Dummen, das er entzwei geschnitten hatte. Erst war's ihm nicht recht, daß die Katze ihm das Fleisch vom Teller holte und fraß; doch dachte er, die ist gewiß auch so hungrig, wie du, du sollst sie nur gehen lassen. Er hielt ihr das Glas hin und fragte: willst du auch einmal trinken? Sie nichte; darauf schenkte 'er ihr nun ein Glas ein und gab's ihr hin; sie leckte und leckte daran herum und es dauerte nicht lange, da war der Wein heraus und da fieng die Katze an zu sprechen: Sag' mir, wer bist du denn? Er antwortete: Ich bin ein Königssohn. Da sagte die Kaze: Ich bin eine Königstochter, bleibe doch bei mir und leiste mir Gesellschaft, du sollst's gut haben. Ja, sagte er, das thäte ich gern; ich muß aber wieder zurück zu meinem Vater, ich muß einen Hund bringen, und meine beiden Brüder auch. Wer den besten bringt, der kriegt das Königreich.

Wenn das ist, sagte die weiße Katze, dann bleibe nur noch etliche Tage hier und dann will ich dir schon helfen. Gut, sagte der Dumme, wenn das ist, so bleib' ich noch da. Warum bist du denn aber eine Katze und kein Mensch? Ach, sagte sie, ich bin verwünscht und kann nicht anders erlöst werden, als durch dich. Wenn du es nun willst, so werde ich erlöst. Ei, sagte er, wenn ich es kann, so soll's nicht fehlen. Was muß ich denn thun? Sie antwortete, weiter nichts als hier bleiben und essen und trinken und schlafen, dann mußt du dich um nichts bekümmern, was auch geschieht. Wenn du liegst, so steh nicht auf, wenn du ißt, so laß dich nicht stören. Ich muß bald fort, es schlägt gleich zwölf; indem schlug's und gleich war die Katze weg. Der Dumme aß sich noch erst recht satt und gieng dann zu Bett, denn in der Kammer nebenan stand auch ein schönes Bett, und schlief gleich ein. Er hörte und sah nichts.

Des Morgens stand er auf; er zog sich an und gieng in die Stube, da brachten die Hände das Frühstück, alles auf's schönste und beste. Er aß und trank nach Herzenslust, dann gieng er in den Garten, der war wunderschön, die schönsten Bäume und Blumen und andere Gewächse. Er gieng den ganzen Tag spazieren, aß und trank nach Belieben und machte sich's zu gut. Des Abends gieng er in's Haus und sezte sich wieder auf das Sopha. Die Zeit dauerte ihm erst lang, ehe es elf schlug, aufgetragen wurde das Essen und Trinken wie am vorigen Abend und wie es ausgeschlagen hatte, kam die weiße Katze wieder an und sprang auf ihren Stuhl. Er schnitt ihr ein Stück Braten ab und machte es auf ihrem Teller entzwei. Sie fraß nach Belieben und trank ihren Wein und sprach so freundlich und so gut mit ihm, daß er sie recht lieb kriegte, und wie sie sagte, sie müßte gleich wieder fort, da antwortete er, sie möchte doch noch da bleiben. Wie es aber zwölf schlug, da war sie weg. Er aß und trank noch und gieng dann wieder zu Bett. Kaum hatte er sich aber hingelegt, da kamen so viele Katzen, die setzten sich um sein Bett herum und fiengen an zu knurren, zu miauen und zu spuken, sie stimmten eine Musik an, daß sich der Dumme halb todt lachen mußte und über den vielen Spectakel einschlief.

Der andere Tag gieng auch so hin und es kam Alles, wie die Abende vorher. Den dritten Abend sagte aber der Dumme, morgen muß ich wieder fort, wenn ich nur erst einen Hund hätte, der gut wäre. Dreiviertel auf zwölf gab ihm die weiße Katze einen Ring und sagte: wenn du den rechts herum drehst, so bist du, wo du sein willst. Wenn du ihn anders herumdrehst, so bist du wieder hier. Hier hast du auch eine Wallnuß, die steck bei, und wenn du zu Haus bist, so knack sie auf, dann wirst du sehen, was passirt. Da schlug's zwölf, und die Katze war weg. Er blieb noch ein bischen auf und gieng dann zu Bett. Kaum hatte er sich hingelegt, so waren eine ganze Menge Hunde um sein Bett herum, die klafften und bellten, sie knurrten und bissen sich ganz erbärmlich. Er lag aber im Bette und ließ sich nicht stören, am Ende war er wieder eingeschlafen.

Am andern Morgen aß und trank er erst ordentlich das was die Hände brachten und kein Mensch war zu sehen. Dann drehte er den Ring am Finger rechts um und war gleich zu Haus. Seine Brüder aber waren schon da, und hatten jeder einen Hund mitgebracht, der eine war aber blind, der andere lahm. Der Dumme ging erst zum Vater und fragte, wie's ihm gienge. Der Vater aber sagte, so ein wenig spöttisch, ob er denn nicht einen Hund mitgebracht hätte; denn er sah keinen. Der Dumme nahm seine Wallnuß, knackte sie auf und heraus sprang ein allerliebster Hund. Das war der allerbeste. Der Alte und die beiden Brüder mußten bekennen, daß das der beste war. Ja, sagte der Vater, das ist recht gut, aber noch nicht genug. Ihr müßt noch einmal fort, wer mir dann die beste Stiege Leinen bringt, der soll das Königreich haben. Der Dumme drehte an seinem Ring und war gleich wieder in der Prinzessin Hause.

Es gieng alles wieder, wie das vorige Mal und er bekam am dritten Abend wieder eine Wallnuß; diesmal gefiel ihm die weiße Katze noch mehr. Ale er am Morgen wieder aufgestanden und gesättigt war, drehte er an seinem Ring, und er war wieder zu Haus. Er knackte seine Wallnuß auf und nahm die feinste und schönste Stiege Leinen heraus. Alle mußten bekennen, daß er das beste Leinen. gebracht hätte. Da sprach der Vater, nun habt ihr noch jeder eine Schwiegertochter zu bringen. Wer die hübscheste und beste Prinzessin bringt, der kriegt das Königreich). Die beiden Brüder verabredeten sich, sie wollten ihren dummen Bruder ums Leben bringen. Er aber wußte es gleich und drehte an seinem Ring, da war er gleich wieder dort in dem Hause bei der weißen Katze. Als er aber in's Haus trat, so war sie gleich da und sagte, es ist gut, daß du wieder da bist. Jetzt komm herein. Nun wollen wir's zu Ende bringen. Sieh, hier liegt ein Säbel, jezt haue mir den Schwanz ab. Aber, sagte der Dumme, wo kann ich dir das zu leid thun. Das ist einerlei, sagte sie, das muß geschehen.

Er ließ sich's nicht noch einmal sagen, hackte zu, und der Schwanz war weg und vor ihm stand ein wunderhübsches Mädchen, das ihm um den Hals fiel und ihn herzte und küßte. Das gefiel ihm recht, und er wußte gar nicht, wie ihm zu Muth wurde vor Freude. In dem Augenblicke ist das Haus in ein großes Schloß und alles königlich verwandelt. Auch Bediente und Lakaien und Wagen und Pferde und Kutscher und alles, was dazu gehörte. Er blieb noch ein paar Tage da, dann wurde der schönste Wagen angespannt, sie setzten sich mit einander hinein und fuhren hin nach Haus. Da ist unterdeß der Dumme so klug geworden, gerade wie die anderen nie gewesen sind. Als sie nach dem Alten kommen, da freut er sich, und der Dumme kriegt das Königreich und wird König. Die anderen werden aber abgelohnt; und die jungen Leute haben glücklich mit einander gelebt bis an ihr Ende. Der Alte ist auch bald gestorben.

Quelle: „Sagen und Märchen aus dem Oberharz“, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862