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Der Spiegel und das Schwert

Drei Brüder wohnten in einem Hause zusammen und lebten mit einander, aber nicht in Frieden, nein oft in Zank und Streit; denn der Jüngste konnte alles besser, machte alles besser und war auch hübscher und glücklicher, als die beiden ältesten, die der Neid und die Bosheit plagte. Um den Jüngsten los zu werden, giengen sie zusammen in den Wald hinaus und sagten, ihr Holz müßten sie sich hauen. Sie arbeiteten mit einander, bis es Abend war, dann legten sie sich hin und schliefen. Die beiden ältesten machten sich aber fort, während der Jüngste fest schlief.

Als dieser aufwachte, waren seine Brüder nicht zu sehen noch zu hören; er aber wußte weder Weg noch Steg und verlief sich denn dermaßen, daß es keine Möglichkeit gab, wieder aus dem Walde zu kommen. Natürlich konnte er dabei nicht fröhlich sein und suchte recht betrübt und traurig einen Ausweg. Da erschien ihm eine Fee, die seine Pathe war. Davon wußte er aber nicht und seine Brüder auch nicht. Diese Fee nahm ihn mit sich in ihr Schloß, das in dem Walde stand und behielt ihn bei sich; die beiden Brüder verwandelte sie in zwei wilde Schweine, die im Walde umherlaufen mußten zur Strafe.

Bei seiner Pathe hatte es der Jüngste recht gut, lernte da Vieles, wovon er nicht einmal zu Haus gehört hatte und blieb da, bis er zwanzig Jahr alt war. Nun, sagte die Fee, bist du alt genug und kannst dir selbst durch die Welt helfen. Jetzt mußt du fort von mir. Er gieng nicht gern weg, denn er hatte es ja so gut da, und seine gute Pathe so lieb, daß es ihm sehr nah gieng, als sie sagte: Jetzt mußt du fort. Er gehorchte, wenn auch nicht gern. Dies sah ihm seine Pathe an und ihr traten selbst die Thränen in die Augen, als er weggieng.

Beim Abschiede gab sie ihm einen kleinen Spiegel und sagte: Willst du etwas Wichtiges thun, so sieh erst in diesen Spiegel, ist dann dein Gesicht hell und klar, freundlich und gut, so thu es; siehst du dich aber nicht hell und klar, oder bist du darin finster und mürrisch oder nachdenklich, so thu es bei Leibe nicht. Dann schenkte sie ihm auch noch ein Schwert, die Klinge war von Silber und Stahl, der Griff von Gold und Edelsteinen, und sprach: Nimm dieses Schwert, es sei ein theures Gut für dich. Brauch es nur, wenn dein Glück oder Unglück auf dem Spiele steht, dann wird es dich glücklich machen. Zulezt gab sie ihm aber auch einen Beutel mit Gold, der mußte nur so sein und sprach: Lindere damit die Noth der armen Menschheit und gebrauche es zu dem, was du nöthig hast, sonst sei aber sparsam und haushälterisch. An jedem Abend vergiß nicht in deinen Spiegel zu sehen und von deinem Gesichte zu lesen, ob du an dem Tage gut oder böse gewesen ist. Je frömmer du bist, desto hübscher wirst du werden, je böser du wirst, desto häßlicher wirst du darin aussehen.„ Dann nahm sie herzlich Abschied von ihm, zeigte ihm den Weg, den er gehen sollte und war verschwunden und in dem Augenblick war auch das Schloß weg, und der junge Mensch stand im Walde unter Bäumen.

Betrübt gieng er fort, dahin, wohin ihm seine Pathe gesagt hatte und kam bald aus dem Wald; auf einer schönen grünen Wiese begegnet ihm ein Greis, der ist so zittrig und sieht so ausgehungert aus und spricht: Erbarme dich meiner, du lieber junger Mensch. Er reicht dem Alten gleich ein Goldstück und giebt ihm auch zu essen. Gotteslohn, sagte der Bettler und war verschwunden. Voll Verwunderung, daß der Greis im Um- und Aufsehen weg war, zog der Jüngling seinen Spiegel heraus, sah hinein, und sein Gesicht war hell und klar; auch schien es, als wäre er etwas schöner geworden. Voll Freude gieng er weiter, that Gutes, wo er konnte, verpaßte aber keinen Abend, in seinen Spiegel zu sehen.

So mancher Abend auch herankam, immer war der Spiegel hell und sein Gesicht immer schöner, so daß es nicht einen hübscheren Menschen geben konnte als ihn. Drei Jahre mocht er so gereist sein, da kam er in eine Stadt, in der ein König wohnte; alle Leute, die ihm entgegen kamen, und die da giengen auf den Gassen, waren so betrübt und giengen so traurig, daß er endlich fragte, warum sie alle so verstört und traurig wären: Eine Frau, die er fragte, sagte, er solle nur einmal annehmen, es wäre ein Ungeheuer in die Stadt gedrungen, des Nachts, wo alles geschlafen hätte, das müsse jeden Tag einen Menschen haben, den es zerrisse und auffräße, und wenn es den nicht bekäme, so entstünde noch größeres Unglück. Solch ein Scheusal hätte es noch nicht gegeben auf der Welt, es wäre vorn eine Art Mensch, in der Mitte wie ein Löwe mit Krallen, aber ohne Haare und hinten eine gräßliche Schlange.

Nun hätte es schon gefährlich viel Menschen gefressen und noch immer hätte sich keiner gefunden, der es bezwingen könnte. Der König in seiner Noth wolle gern dem seine einzige schöne Tochter zur Frau geben, der das Ungethüm umbrächte und die Stadt von der Plage befreite; man warte aber vergebens auf einen Erretter; denn wenn sich auch einmal einer fände, der das Wagstück unternehme, der müsse jedesmal daran glauben, die Haut und der ganze Wanst des Unthiers wäre so dick und hart, daß kein Spieß und Schwert durchgieng oder hineinkäme. Darauf antwortete der Jüngling der Frau: Sie solle nur nicht verzagen, in ein paar Tagen solle es anders damit aussehen. Er wolle einmal sein Heil daran versuchen. Ach, sagt die Frau, das möchte er doch bleiben Lassen, es wäre ja schade um solch hübschen Menschen, um solch junges Blut. Dabei faßt sie seine rechte Hand und bittet ihn flehentlich, doch ja nicht hinzugehen und sich von dem Unthier umbringen zu lassen. Doch er spricht: Liebe Frau ich danke euch für eure Liebe und Fürsorge, doch glaube ich, daß ich gerade dazu ausersehen bin, das Thier zu schlagen, und die Stadt von der Plage zu befreien. Dann zog er seinen Spiegel aus der Tasche, sah hinein und sieh: sein Gesicht war so hell und klar und dabei schöner, wie noch nie.

Dabei dachte er auch an sein Schwert, das eine ganz andere Art Schwert war, wie die gewöhnlichen. Er sagte der Frau, sie solle bald etwas Neues erfahren, was er gethan hätte, und dann sagte er ihr Adieu. Von da gieng er stracks nach dem König und sagte dem was er vorhätte. Der aber wollte es anfänglich nicht zugeben, daß der bildhübsche Mensch so schändlich hingeopfert würde. Als sich aber der Jüngling nicht halten lassen wollte, so gab's endlich der König zu. Beim Abschied drückte ihm der König die Hand und sagte: „Meine Tochter gehört dir, kommst du lebendig zurück und hast das Thier besiegt, außerdem sollst du mir ein lieber Sohn sein.“ Der Jüngling ließ sich nun sagen, wo die Bestie läge, machte sich hin, nahm sein Schwert und da giengs los.

Des war nichts Kleines, das schreckliche Ungeheuer umzubringen. Er mußte sich fürchterlich vor seinem Rachen, vor seinen Krallen und dem Schwanze in Acht nehmen. Doch endlich kam er ihm so nah, daß er zustoßen, und das Schwert in den Wanst rennen konnte. Das Thier stürzte nieder und wälzte sich in seinem Blute. So war's denn geschehen, das Ungethüm lag besiegt und still da. Jetzt nahm der Jüngling seinen Spiegel vor, sah hinein und er war klar wie die Sonne und sein Gesicht war hübscher, wie das vom schönsten Mädchen. Zufrieden mit dem, was er gethan hatte, gieng er nun zum König und sagte, das Ungeheuer wäre todt; darauf strömte alles hin, überzeugte sich davon und freute sich. Und die Königstochter kam, fiel ihm um den Hals und sagte, sie hätte ihn lieber, wie ihr Leben. Dann wurde Hochzeit gemacht. Na, das war eine Hochzeit, nicht allein im Schloß beim König, sondern auch in der ganzen Stadt, und was das Beste war, die jungen Leute hatten sich so lieb wie die Kinder.

Als nun alles vorbei war, so sagte der junge Mann, er müsse seine Pathe erst einmal besuchen und ihr danken, denn die allein hätte ihm zu seinem und ihrem Glück verholfen. Damit war denn auch die Jungfrau gleich zufrieden. Er nahm Abschied und ritt nach dem Walde, wo seine Pathe wohnte, doch glaubte er nicht, daß er sie wieder finden würde. Es kam aber anders. Er war kaum in den Wald getreten, da kam ihm seine Pathe entgegen und sprach: Sei mir willkommen, du geliebter (Mann) Sohn! Du bist glücklich, das wollt ich. Meine Pflicht habe ich erfüllt.

Wo sind aber meine Brüder, fragte der Pathsohn? Ich will sie auch erlösen, sprach die Fee, holte eine Pfeife hervor, that einen Pfiff und in dem Augenblick kamen ein paar wilde Schweine angerannt und blieben nicht weit von ihnen traurig stehn. Die Fee streckte ihre Hand nach ihnen aus und sprach: Eure Strafe ist zu Ende, seid wieder frei, da waren es wieder Menschen, die kamen auf ihren Bruder zu, er umarmte sie und vergab ihnen. Der junge Mann wollte alle mitnehmen, die Fee aber sagte nein; lebe wohl und war verschwunden. Die beiden Brüder giengen mit und waren von da an besser und glücklich. Nach dem Tode des alten Königs ward der junge Mann König. Sein Spiegel warnte ihn vor Unrecht, und sein Schwert verjagte alle Feinde. Sein Land war aber das glücklichste.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862