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Die sieben Brüder

  Sandow

Es waren einmal sieben Brüder, die gingen unter die Reiter. Da es gerade Krieg war, so führten sie im Felde ein wildes Leben. Als sie das wilde Leben satt hatten, beschlossen sie zu fliehen. Sie führten auch ihren Entschluss glücklich aus. Nachdem sie auf ihrer Flucht viele Meilen weit geritten waren, sahen sie endlich in der Ferne ein altes, graues Schloss. Sie näherten sich demselben und stiegen, als sie angekommen waren, von den Pferden. Darauf gingen sie in das Schloss hinein. Im Schlosse sahen sie in der Mitte eines Zimmers einen Tisch, darauf standen sieben Teller; neben den Tellern lagen sieben Messer und sieben Gabeln. Das gefiel ihnen. Sie holten ihre Pferde in den Hof. Als sie dieselben in den Stall gefährt hatten, war für sieben Pferde Hafer und Wasser da. Nachdem sie ihre Pferde versorgt hatten, gingen sie wieder in die Stube, setzten sich an den Tisch und begehrten zu essen. Alsobald kam ein graues Männchen herein, brachte das schönste Essen und Trinken und sagte: „Bleibt hier, dann werdet Ihr alle glücklich werden.“ Zum Aeltesten aber sprach es weiter: „Wenn Du ein Jahr hier bleibst, mit Niemand, es geschehe auch, was da wolle, als mit Deinen Brüdern redest, so wirst Du sehr glücklich werden.“ Die Brüder liessen sich Alles trefflich munden und beschlossen zu bleiben. Als es Abend geworden war, legten sie sich schlafen. Gegen Mitternacht erwachte der älteste von den Brüdern. Vor seinem Bette stand ein junges, schönes Mädchen. Das fragte ihn, ob er auch Wort halten werde. Er aber antwortete nicht, da verschwand das junge Mädchen. Es kam ihm aber Alles so bedenklich vor, dass er am nächsten Morgen mit seinen Brüdern zu fliehen beschloss. Als der Morgen anbrach, holten sie ihre Pferde aus dem Stall und ritten fort.

Anfänglich ging Alles gut, aber bald wurde die Gegend um sie her so wild, dass sie nicht weiter konnten. Da beschlossen sie wieder umzukehren. Als sie wieder an das Schloss gekommen waren, führten sie ihre Pferde in den Stall und gingen in ihr Zimmer. Nach einiger Zeit wollte der älteste von den Brüdern im Stalle nach den Pferden sehen; als er in den Stall kam, fand er, dass sechs Pferden die Köpfe fehlten; nur sein Pferd hatte noch den Kopf. Als er darauf in das Zimmer zurückkehrte, sassen seine Brüder zwar noch am Tisch, aber jeder hatte seinen Kopf neben dem Teller liegen. Zu fliehen wagte er nun nicht mehr, denn er merkte, dass ihm das nichts nützen werde.

Er blieb also. In der Nacht erschien ihm der Kopf eines Schweines, darauf, als derselbe verschwunden war, zog eine lange, schwarze Katze durch das Zimmer, schliesslich kam das junge, schöne Mädchen wieder. Das Mädchen sagte ihm, er solle nur aushalten; er werde noch einige Nächte Erscheinungen sehen, dann würden dieselben nicht mehr kommen. Hielte er aber das Jahr aus, so werde sie erlöst sein. Darauf verschwand sie. Wie sie gesagt hatte, so geschah es. Zwar stellten sich in den ersten Nächten noch manche Erscheinungen ein, allein später sah der Reiter nichts wieder. An dem Tage aber, als das Jahr um war, kam das junge, schöne Mädchen voller Freude in das Schloss und sagte zu dem Reiter: „Ich bin jetzt erlöst. Nun mochte ich aber gern meine Eltern auch erlösen. Darum nimm Dein Pferd und reite mit mir davon; verliere auch den Muth nicht, was immer geschehen mag.“ Darauf ritt er mit dem Mädchen davon. Als sie eine Strecke geritten waren, kam ein Adler geflogen, gerade auf den Reiter und das Mädchen los. Schon sperrte er seinen Schnabel auf, um auf das Mädchen einzuhacken, da verwandelte sich dasselbe in eine Ente, der Reiter aber in einen Frosch. Die Ente flog in den See, welcher dicht dabei war, und der Frosch hüpfte in das Wasser. Da schoss der Adler auf die Ente los, um sie zu erwürgen, die Ente aber nahm den Frosch in den Schnabel, tauchte mit ihm unter und schwamm so unter dem Wasser fort, bis zum nächsten Ufer. Dahin vermochte ihnen der Adler nicht zu folgen. Als sie das jenseitige Ufer erreicht hatten, verwandelte die Ente sich und den Frosch wieder. Darauf fielen sich der Reiter und das junge Mädchen freudig in die Arme. Jetzt war auch die Erlösung der Eltern und Brüder vollbracht, denn in dem Augenblicke kamen die Eltern des Mädchens und die sechs Brüder des Reiters herbei. Da war die Freude gross. Fortan lebten Alle glücklich zusammen bis an ihr Ende. Sandow

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880