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Lipskulijan's Bette

  Aus Haupt und Schmaler's wend. Liedern II. Anhang.

Es war aber ein armer Mann, der sich fast nicht mehr ernähren konnte, und doch hatte man ihm noch große Abgaben auf sein Haus gelegt. Und er mußte auf's Stöckeroden gehen. Und als er eines Tages auch sehr traurig in die Haide ging, begegnete ihm ein Männchen, das ihn fragte: Weshalb bist du so traurig? Der arme Mann antwortete ihm: Du kannst mir auch nicht helfen. Wer weiß, sagte das Männchen, sage mir es, so will ich dir helfen. Der arme Mann erzählte ihm, daß er in großer Noth sei und daß es ihm unmöglich wäre, die Steuern zu geben. Darauf sagte das Männchen: Wenn du mir das versprichst, wovon du in deinem Hause nichts weißt, so will ich dir helfen. Der arme Mann gedachte bei sich: Das kannst du, du weißt ja Alles, was du in deinem Hause hast. Hierauf brachte das Männchen ein Stück Papier hervor, und auf dieses hat sich der arme Mann mit seinem Blute unterschreiben müssen. Als dies geschehen war, sagte das Männchen: Nach sechszehn Jahren bringe mir das, was du mir versprochen hast, auf dieselbe Stelle. Und er gab ihm eine große Summe Geld. Und nach einiger Zeit gebar seine Frau einen Sohn, und er erinnerte sich, was sich der Teufel bedungen hatte und war sehr traurig. Der Knabe wuchs aber und lernte sehr fleißig, so daß ihn der Vater studiren ließ, und als er funfzehn Jahre alt war, da hatte er schon ausstudirt. Und weil sich die Zeit näherte, wo er an das Männchen abgeliefert werden sollte, so grämte sich sein Vater je länger je mehr. Er sagte daher: Was seid ihr so traurig, lieber Vater? Ach, antwortete dieser, ich habe dich schon eher, als du geboren wurdest, dem Teufel versprochen, und habe ihm eine Schrift darüber gegeben, und erzählte ihm die ganze Sache. Er aber sagte: Keine Sorge! ich werde mir selbst diese Schrift holen. Und er nahm seinen Degen und etwas Weihwasser und begab sich auf den Weg. Er kam aber in einen so großen Wald, daß ihn die Nacht darin übereilte und er sich zulegt verirrte. Als er aber lange umhergegangen war, erblickte er Licht und dann ein Häuschen.

Und als er hineintrat, war dort Niemand weiter als eine alte Frau. Diese bat er um Herberge, aber sie antwortete ihm hierauf, er solle seines Weges gehen, wenn ihm sein Leben lieb wäre, denn da wohne ein großer Räuber. Er sagte aber, daß er sich nicht fürchte und blieb dort. Nach einer Weile kam auch der Räuber und fragte ihn, wohin er gehe? Und er erzählte ihm Alles und daß er zum Teufel in die Hölle nach der Schrift gehe. Da, that ihm der Räuber nichts, sondern gab ihm zu essen und zu trinken und bat ihn des andern Tages am Morgen, er möge doch so gut sein und den Teufel fragen, was Lipskulijan zu erwarten habe.

Und als er in die Hölle gekommen war, war dort grade kein anderer als der oberste Teufel. Der wußte aber von der Schrift nichts und sagte, das ginge ihn nichts an und er solle ihn mit Frieden lassen. Da besprengte er ihn mit dem Weihwasser und der oberste Teufel fing an so zu brüllen, daß die andern in Haufen hereingestürzt kamen. Er befragte sie wegen der Schrift, aber es hatte sie keiner. Da besprengte er den obersten Teufel wieder mit dem Weihwasser und er fing an noch viel mehr zu brüllen, so daß ihrer noch viel mehr hereingestürzt kamen. Er befragte sie wieder wegen der Schrift, aber es hatte sie keiner. Da besprengte er den obersten Teufel noch einmal und er fing an so schrecklich zu brüllen, daß ihrer von allen Seiten hereingestürzt kamen und zuleßt kam auch ein lahmer angehinkt und der hatte die Schrift. Der wollte sie aber nicht geben. Da sagte der oberste Teufel: Werft ihn auf Lipskulijan's Bette. Da gab sie der lahme Teufel.

Und als er die Schrift erhalten hatte, fragte er, was für ein Bett Lipskulijan bekommen würde. Und sie zeigten es ihm, und es war von der Art, daß, als er seinen Degen hineinsteckte und ihn wieder herauszog, die Klinge, so, weit sie in das Bett hineingestoßen worden war, zerschmolzen war, denn das Bett bestand aus lauter glühendem Eisen. Hierauf ging er wieder nach Hause und kam unterwegs zum Lipskulijan. Der fragte ihn, ob er wüßte, was ihn erwarte? Und er erzählte ihm Alles.

Da erschrak Lipskulijan und erkundigte sich, ob er doch nicht noch könnte begnadigt werden? Und er antwortete ihm: Gott ist jedem Sünder gnädig, wenn er sich bessert. Entziehe du dich allem Bösen und bete ohne Aufhören zu Gott, so wird er dir auch gnädig sein. Und er führte Lipskulijan ein Stück von der Straße ab, errichtete dort einen kleinen Hügel und pflanzte darauf eine Gerte und sprach: Auf dem Hügel bete du, und wenn die Gerte Aepfel tragen wird, so magst du daraus erkennen, daß dir deine Sünden vergeben werden.

Nach langer Zeit, als er schon ein hoher Geistlicher war, fuhr er durch denselben Wald und es erblickte dort sein Diener schöne Aepfel auf einem Baume. Er wollte einen pflücken, aber wie er ihn berühren wollte, da hörte er eine Stimme, welche sprach: Du hast mich nicht gepflanzt, du wirst mich auch nicht pflücken. Er erzählte dies in aller Schnelligkeit seinem Herrn. Der ging hin, und als er zu dem Apfelbaume kam, fand er unter demselben einen knieenden Menschen und besann sich auf Lipskulijan. Und der wollte ihm beichten. Und als er ihm die Sünden vergeben hatte, zerfiel Lipskulijan in lauter Staub und die Aepfel, welche die Seelen derer waren, welche er ermordet hatte, verschwanden alle. Und eine weiße Taube flog zum Himmel auf und sang:

Aepflein trug das Gertelein:
Meine Seele muß nun selig sein.

Und er hatte so die Gewißheit, daß Lipskulijan selig gestorben sei.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862