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Vom tapfern Schmied

  Haupt's Zeitschrift für deutsche Alterth. II. S. 359.

Eine Nonne, ein Bergmann und ein Schmied wanderten mit einander durch die Welt. Einst verirrten sie sich in einem Walde und waren daher sehr froh, als sie in der Ferne ein Gemäuer erblickten, in dem sie Obdach zu finden hofften. Sie gingen also darauf zu und sahen, daß es ein wüstes Schloß war, in welchem man zur Noth noch wohnen konnte. Sie beschlossen also sich hier einzurichten und wurden bald einig, daß eins von ihnen daheim die Wirthschaft bestellen sollte, während die beiden anderen aus wären.

Das Loos, zu Hause zu bleiben, traf zuerst die Nonne; als nun der Bergmann und der Schmied in den Wald gegangen waren, besorgte die Nonne die Küche, und als ihre Gefährten zur Mittagszeit nicht heim kamen, verzehrte sie ihren Theil von der Mahlzeit. Da trat urplötzlich ein graues Männchen zur Thür herein, schüttelte sich und sprach: „O, wie friert mich!„ Die Nonne antwortete: „Setze dich zum Ofen und wärme dich.“ Das Männchen befolgte ihren Rath, aber bald rief es wieder: „O, wie hungert mich!“ Die Nonne sagte: „Auf dem Ofen steht Essen, so iß!“ Da machte sich das Männchen über die Speise und aß in Geschwindigkeit Alles auf, was da war. Darüber wurde die Nonne zornig und schalt, daß für ihre Gefährten gar nichts übrig gelassen sei. Da gerieth auch das Männchen in Wuth, nahm die Nonne, schlug sie und warf sie von einer Wand zur andern. Darauf ließ es sie liegen und ging seines Weges. Am Abend kamen Berg mann und Schmied nach Hause. Als sie nichts zu essen fanden, machten sie der Nonne große Vorwürfe und wollten ihr nicht glauben, als sie ihnen erzählte, was ihr widerfahren wäre.

Den folgenden Tag erbot sich der Bergmann das Haus zu hüten und versprach schon dafür zu sorgen, daß Niemand hungrig zu Bette gehen dürfte. So gingen die beiden anderen in den Wald und der Bergmann besorgte das Essen, verzehrte seinen Theil und legte das Uebrige auf den Ofen. Da trat das Männchen herein, aber wie erschrak der Bergmann, als er sah, daß es zwei Köpfe hatte. Es schüttelte sich und sprach: „O, wie friert mich!“ Furchtsam verwies es der Bergmann zum Ofen. Bald darauf klagte es: „O, wie hungert mich!“ „ Auf dem Ofen steht Essen, so iß!„ antwortete der Bergmann. Da fiel das Männchen mit seinen beiden Köpfen über das Essen her und bald war Alles aufgezehrt; als der Bergmann es deswegen ausschalt, erging es ihm wie der Nonne. Das Männchen schlug ihn, warf ihn von einer Wand zur anderen, ließ ihn dann liegen und ging davon. Als nun am Abend der Schmied mit der Nonne heim kam und nichts für seinen Hunger fand, gerieth er mit dem Bergmann in Streit und vermaß sich so hoch und theuer, morgen sei an ihm die Reihe, das Haus zu hüten; da solle es Keinem an Essen fehlen.

Als am andern Tage das Essen fertig war, kam das Männchen wieder, und diesmal hatte es drei Köpfe. Es klagte über Frost und der Schmied hieß es sich an den Ofen zu setzen. Als es darauf über Hunger klagte, theilte der Schmied von dem Essen etwas ab und setzte es ihm hin. Damit war das Männden geschwind fertig. Es sah sich mit seinen sechs Augen begierig um und verlangte mehr. Und als der Schmied sich weigerte, ihm mehr zu reichen, wollte es ihm mitspielen wie der Nonne und dem Berg.

Der Schmied aber nahm seinen großen Schmiedehammer, ging auf das Männchen los und schlug ihm zwei von seinen Köpfen ab, so daß es eilig die Flucht ergriff. Der Schmied lief ihm durch viele Gänge nach, bis es bei einer eisernen Thür plötzlich vor ihm verschwand. Nun mußte der Schmied es aufgeben, das Männchen noch weiter zu verfolgen, nahm sich aber vor, nicht eher zu ruhen, als bis er mit seinen beiden Gefährten Alles glücklich bestanden hätte. Indessen waren der Bergmann und die Nonne nach Hause gekommen. Der Schmied brachte ihnen, wie er versprochen hatte, ihr Essen und erzählte ihnen sein Abenteuer; zeigte ihnen auch die beiden abgehauenen Köpfe; und darauf beschlossen alle drei, sich von dem grauen Männchen, wenn es möglich wäre, ganz zu befreien.

Gleich am folgenden Tage gingen sie an's Werk. Sie mußten lange suchen, ehe sie die eiserne Thür fanden, bei der das Männchen gestern verschwunden war. Und es kostete große Mühe, ehe sie sie aufsprengten; da that sich ein weites Gewölbe vor ihnen auf. Darin saß ein schönes Mädchen an einem Tische und arbeitete. Sie sprang auf und fiel ihnen zu Füßen, indem sie ihnen für ihre Befreiung dankte und erzählte, sie sei eine Königstochter und von einem mächtigen Zauberer hierher gebannt worden. Gestern Mittag habe sie plötzlich empfunden, daß der Zauber gelöst sei. Seitdem habe sie jede Stunde auf ihre Befreiung gehofft. Aber außer ihr sei noch eine Königstochter in dieses Schloß gebannt. Darauf gingen sie und suchten auch diese auf und befreiten sie. Freudig dankte sie ihnen und sagte, daß auch sie gestern zu Mittag es gefühlt habe, wie ihre Verzauberung gelöst sei. Nun erzählten die beiden Königstöchter ihren Befreiern, in verborgenen Kellern des Schlosses sei ein großer Schaß, den ein Hund bewache. Sie gingen hin und fanden das Thier, und der Schmied erschlug es mit seinem schweren Hammer, wie sehr es sich auch zur Wehr seßen mochte. Der Schatz aber war Gold und Silber, ganze Pfannen voll, und dabei saß ein schöner Jüngling, der ging ihnen entgegen und dankte ihnen, daß sie ihn erlöst hätten; er sei der Sohn eines Königs, aber von einem Zauberer in dieses Schloß gebannt und in das dreiköpfige Männchen verwandelt worden. Als er zwei von seinen Köpfen verloren, da sei die Verzauberung der beiden Königstöchter gehoben worden und als der Schmied den gräßlichen Hund erschlagen, da sei auch er erlöst gewesen. Dafür sollten sie nun den ganzen Schatz zum Lohne haben. Darauf ward der Schaß getheilt und ehe sie damit fertig waren, hatten sie lange zu thun. Die beiden Königstöchter aber heiratheten aus Dankbarkeit für ihre Erlösung die eine den Schmied, die andere den Bergmann, und der schöne Königssohn heirathete die Nonne. So lebten sie in Frieden zusammen bis an ihren Tod.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862