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Die fleißigen Spinnerinnen

  Nach Büsching I. 355

Es war einmal ein Mädchen, das ward von seiner Mutter gar strenge behandelt und besonders zum fleißigen Spinnen allezeit angehalten. Aber das Mädchen war faul und wollte nicht spinnen. Da schlug die Mutter das Mädchen und das Mädchen seşte fich vor die Thür und weinte bitterlich.

Da kam des Wegs ein fremder Ritter, der fragte das Mädchen, warum es also weinete. Da ntwortete das Mädchen: Ach, lieber Herr, das glaubt kein Mensch, wie ich unschuldig leiden muß; meine Mutter hat mich geschlagen, weil ich allzufleißig gesponnen, denn sie meinet, daß ich ihr allzuviel des schönen, theuren Flachses versponnen habe.

Der fremde Ritter tröstete das Mädchen und sprach zu ihm: Ich kann in meinem Hause eine so fleißige Spinnerin wohl gebrauchen, komm mit mir, du sollst es gut haben. Das Mädchen dachte: so schlecht wie zu Hause kann mir's doch nirgends gehen, und ging mit dem fremden Nitter in sein Schloß.

Als sie dort angekommen waren, führte sie der fremde Ritter in die Spinnstube, da lag alles voll Flachs bis an die Decke. Und der Herr sprach: Wenn du dies Alles in einem Jahre aufspinnst, sollst du mein eheliches Gemahl werden. Darauf ging der Herr fort.

Das Mädchen aber sah zu seinem Schrecken, daß es ungeheuer viel Flachs war und daß es ihr ganz unmöglich sein würde, auch nur einen Theil davon abzuspinnen. Sie hatte aber eine Frau Pathe, der klagte sie ihre Noth und diese wußte auch wirklich Rath zu schaffen. Sie holte drei alte häßliche Weiber, die erboten sich den Flachs abzuspinnen in kurzer Zeit, wenn das Mädchen verspräche, sie zu ihrer Hochzeit einzuladen. Das versprach das Mädchen und ließ die drei alten häßlichen Weiber in die Spinnkammer und da spannen fie Tag und Nacht und es dauerte gar nicht lange, da war aller Flachs aufgesponnen. Da erinnerten sie das Mädchen noch einmal an das gegebene Versprechen und gingen von dannen.

Als der Herr die fleißige Arbeit sah, lobte er das Mädchen sehr, erklärte sie zu seiner Braut und richtete ein großes Hochzeitfest zu. Je näher der Tag kam, desto mehr ward dem Mägdlein bange wegen ihres Versprechens, denn die drei Spinnerinnen waren so abschreckend häßlich, daß sie sich ihrer schämen mußte vor all den eingeladenen, schönen und vornehmen Gästen.

Die erste hatte Augen, die trieften unablässig, wie die Bäume, wenn's geregnet hat. Die andere hatte einen Mund, so groß und weit, daß er von einem Ohre zum andern reichte, die dritte aber war so entsetzlich dick und breit, daß in ihr Mieder mehr denn drei Dickbäuche sich unbeschwert hätten einknöpfen können. Als nun der Hochzeittag immer näher herankam, sagte das Mädchen zu ihrem Bräutigam: Ich habe drei alte Muhmen, die haben mir Gutes gethan und ich möchte sie gerne einladen. Der Bräutigam sagte: Ach ja, warum denn nicht. Da wurden die drei alten Spinnerinnen eingeladen. Am Hochzeittage wimmelte es im Schloß von den vielen reichen und vornehmen Gästen, die von allen Himmelsgegenden herbeigekommen waren, und endlich kamen auch drei Wagen mit den drei alten Weibern. Der Bräutigam ging hinaus, um sie zu begrüßen und eine nach der andern aus dem Wagen zu heben. Als er nun die erste aus dem Wagen hob, da verwunderte er sich nicht wenig über ihre triefigen Augen, konnte es auch nicht bergen und fragte sie: Ei, woher denn das böse Spiel mit den Augen, meine Liebe? - Ach ja wohl, liebster Herr Bräutigam! entstellt dies einigermaßen meine Schönheit, entgegnete diese, was ist aber daran Schuld, als mein überaus fleißiges Spinnen, als wodurch alle Unreinigkeiten des Flachses mir in die Augen gefahren sind und mir nun ein solches böses Spiel daran zuwege gebracht haben. - Ach liebster und bester Herr! bewahret doch ja eure schöne Jungfer Braut vor solcher Ungestaltigkeit und traget Sorge dafür, daß sie mit dem Spinnen sich ja nichts zu schaffen mache!

Solche Worte nahm der Bräutigam sich zu Herzen und gedachte bei sich: Ei bewahre mich doch der Himmel vor solch einem Ehegespons, wäre ich doch nicht sicher, wenn ich sie wollte herzen, daß sie mich schier ersäufete mit ihren triefenden Augen.

Nicht weniger aber verwunderte sich der Bräutigam, als er die zweite von jenten Frauenspersonen aus dem Wagen hob, über den ungestaltigen großen Mund, konnte auch Solches nicht bergen, sondern fragte und sagte flugs: Ei, woher denn der Unfall mit dem etwas großen Munde, meine Liebe?

Ach ja wohl, liebster Herr Bräutigam, entstellt dies einigermaßen meine Schönheit, erwiederte diese, was ist aber daran Schuld, als mein überaus fleißiges Spinnen, als wobei ich allezeit den Faden, um ihn zu neßen, durch den Mund gezogen und auf solche Art ihn mir übermäßig erweitert habe. Ach, liebster und bester Herr! bewahret doch ja eure schöne Jungfer Braut vor solcher Ungestaltigkeit und traget Sorge dafür, daß sie mit dem Spinnen sich ja nichts zu schaffen mache!

Diese Worte nahm der Bräutigam sich ebenfalls zu Herzen und gedachte bei sich: Ei bewahre mich doch der Himmel vor solch einem Ehegespons; wäre ich doch nicht sicher, wenn ich sie wollte herzen, daß sie mich verschlänge mit ihrem großen Rachen.

Noch vielmehr aber staunte der Bräutigam, als die dritte von jenen Frauenspersonen angefahren kam und er selbige aus dem Wagen heben wollte, über solche große Dicke und die absonderliche Mißgestalt ihres Leibes, als dergleichen ihm noch nicht zu Gesicht gekommen war bis auf den heutigen Tag; konnte auch Solches nicht bergen, sondern fragte und sagte flugs: Ei, woher denn die überaus dicke Leibesbeschaffenheit, meine Liebe?

Ach ja wohl, liebster Herr Bräutigam! entstellt dies einigermaßen meine Schönheit, entgegnete sie, was ist aber daran Schuld, als mein überaus fleißiges Spinnen, wobei ich allezeit und immerwährend auf einem Flecke still gesessen habe und mein Körper zu solch' einem beträchtlichen Umfange gediehen ist. Ach liebster und bester Herr! bewahret doch ja eure schöne Jungfer Braut vor solcher Ungestaltigkeit und traget Sorge dafür, daß sie mit Spinnen sich ja nichts zu schaffen machte.

Abermals nahm der Bräutigam solche Worte sich zu Herzen und gedachte bei sich: Ei, bewahre mich doch der Himmel vor solch einem Ehegespons; wäre ich doch nicht sicher, wenn ich sie wollte herzen, daß sie mich schier er drückte mit ihren ungestaltigen Armen.

Und so geschah es, daß der Ritter sich wohl hütete, von seiner jungen Frau zu verlangen, daß sie künftighin jemals ein Spinnrad anrührte. Das war der Faulen eben recht.

Anmerkungen: Vgl. Grimm's Kindermärchen 1. No. 14. Die drei Unschönheiten sind dort Plattfuß, Hängelippe und dicker Daumen. Grimm bermuthet hinter diesen drei Spinnerinnen die nordischen Parzen, die drei Nornen Urd, Berdandi und Sculd, die Spinnerinnen des Schicksalfadens (Mythol. S. 233). Der Plattfuß erinnert zugleich an die spinnende reine pédauque der probençalischen Sage, die ganze Zeichnung der drei alten Weiber an unsre zwergenhaften Holzweiblein - furs, spinnende Frau Sollen, nach ihrer häßlichen und gutmüthigen Seite.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862